Die Darmsonde

Unser M. Hat zwei Sonden durch die Bauchdecke. Eine liegt im Magen, eine geht durch den Magen durch und liegt tief im Dünndarm. Die Sonde im Magen ist vorallem zur Entlastung. Wir können Magen Sekret etc darüber ablassen. Über die Dünndarm Sonde bekommt er zum einen diverse Medikamente, die es nicht als Infusions Lösung gibt, zum anderen dient auch sie zur Entlastung. Die Sonden sind immer auf Ablauf. Wenn sie verstopft sind, oder der Ablauf aus einem anderen Grund nicht gewährleistet ist, wird es M. schnell schlecht, er muss viel spucken. Er selbst sorgt dafür, dass diese zwei Schläuche niemals abgeknickt sind.

Hin und wieder kommt es vor, dass die Dünndarm Sonde aus dem Darm heraus rutscht und im Magen liegen bleibt. Junior wird es dann schnell schlecht. Zum einen weil Darm Sekret aufstaut, zum anderen weil der Magen voller Sonde ist. Er würgt und bricht. Es geht ihm elend. Ich spüle die Sonden an und habe schnell den Verdacht, dass da etwas nicht stimmt. Ich rufe in der Klinik an, ob wir kommen können und kurzfristig jemand nach dieser Sonde schaut. Ich organisiere die Betreuung der Mädels und setzte Junior ins Auto. Ich fahre zügig los. Es geht ihm gar nicht gut. Unterwegs muss er, wie zu erwarten, mehrfach brechen. Ich bin froh, als wir endlich den Eingang der Klinik erreichen. Wir passieren die bekannten Corona Kontroll Posten und sitzen schließlich im Behandlungszimmer. M. ist ganz still. Ich frage ihn was los ist. Er antwortet 'Sonde.' Ich sage ihm dass er nicht traurig sein muss, die Ärzte können das reparieren. Er denkt kurz nach und sagt 'nervt mich!' Ich kann ihn so gut verstehen. Mich nervt es aus. Die Sonne scheint. Zuhause im Garten tobt das Leben. Und wir sitzen hier im tristen Behandlungszimmer der Kinderklinik.

Die Ärztin schaut einmal auf die Sonde und bestätigt meinen Verdacht, die Sonde liegt nicht mehr im Darm. Eine neue muss gelegt werden. Das wird unter Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen gemacht. Wir können direkt in die Radiologie. Ich lege Junior auf die Behandlungsliege unter das Durchleuchtungsgerät. Es ist ihm schlecht. Er ist blass. Aber er hat keine Angst. Er kennt diese procedure. Es ist okay. Die Ärztin bereitet alles Material vor, die Radiologin stellt das Gerät ein. Dann wird die Sonde durch die Öffnung in der Bauchdecke in den Magen geschoben. Nun muss die Ärztin den Magenausgang treffen. Sie beobachtet die Sonde auf dem Bildschirm. Sie rüttelt an Juniors Bauch, dreht ihn hin und her, um den Weg in den Dünndarm zu finden. Manchmal geht das sehr schnell, es kann aber auch lange dauern. Eine friemel Arbeit. Plötzlich fängt junior an zu weinen. Etwas scheint ihm weh zu tun. Aus der Sonde läuft Blut. Irgendwo hat der schiebedraht die empfindliche Schleimhaut verletzt. Die Ärztin versucht die Sonde weiter vor zu schieben. Sie hängt irgendwo. Mein Sohn weint mittlerweile ziemlich verzweifelt. Auf dem Bildschirm sieht man, dass sich die Sonde genau im Magenausgang aufgewickelt hat. Der Muskel scheint ziemlich gedehnt. Das erklärt die Schmerzen. Die Ärztin versucht diese Schlaufe zu lösen. Sie ruckelt und zuckelt an Sonde und Kind. M. hat die Augen geschlossen und weint. Er möchte gar nicht hören wie ich sage 'es ist alles okay' gar nichts ist okay. Irgendwie scheint es dieses Mal nicht gut zu klappen. Die Ärztin zieht die Sonde raus, schiebt sie wieder rein. Sie dreht meinen Sohn vom Rücken auf die rechte Seite und zurück. Er weint. Ich würde so gerne alles abbrechen. Ihn in den Arm nehmen. Aber wir brauchen diese Sonde. Sonst geht es ihm auch nicht gut. So stehe ich neben dieser Liege, halte die Hand meines Sohnes . Streiche seinen Kopf und halte mit ihm zusammen aus. Eine Stunde später liegt die Sonde an der richtigen Stelle. Ich Atme erleichtert auf. Ebenso die Ärztin und die Radiologin. Es war nur schwer auszuhalten M. so weinen zu sehen. Die Ärztin befestigt die Sonde von außen und macht die Ablauf Beutel wieder dran.

Ich nehme meinen Jungen von dieser Liege. Ich drücke ihn, halte ihn einfach einen Moment fest. Es tut mir so leid! Dann setze ich ihn in seinen Buggy und verlasse die Klinik zügig. Schnell nach Hause. Es ist spät geworden. Die Mädels sind schon im Bett. Wir machen M. Bett fertig. Endlich darf er schlafen. Neue Kraft tanken. Diesen Tag hinter sich lassen. Ich gebe ihm noch seine Medikamente und wundere mich, warum sich die Sonde so schwer spülen lässt. Es ist eine neue Sonde, wird schon alles gut sein. Mein Sohn ist dankbar für sein Bett und schläft zügig ein. Phu, geschafft! Doch bald fängt er an zu würgen und übergibt sich. Ich mache alles frisch. Er würgt immer wieder. Er weint. Ich stelle das Kopfteil seines Bettes hoch. Das hilft oft. Er würgt immernoch. Bricht immer wieder. Das geht die ganze Nacht so weiter. Auch am nächsten Morgen würgt er. Es ist ihm schlecht. Es geht ihm nicht gut. Mir fällt auf dass fast nichts aus dem Darm ablief über Nacht. Ich versuche die Sonde zu spülen. Das geht noch schwerer als gestern Abend. Komisch, irgendetwas stimmt nicht. Die Mädels wachen auf. Ich richte ein Frühstück und bringe sie auf den Weg zur Schule. Junior liegt im Bett und würgt. Ich gebe ihm ein Medikament gegen Übelkeit. Was soll schon sein mit dieser neuen Sonde?!

Mittags rufe ich doch die Ärztin an. Ich soll nochmal kommen, sie schaut es sich nochmal an. Aber eigentlich müsste die Sonde gut liegen. Ich organisiere die Betreuung der Mädels für den Nachmittag und mache mich mal wieder auf den Weg zur Kinderklinik. Gewohnte corona procedur. Fieber messen, unterschreiben. Mundschutzpflicht. Auf den nötigsten Wegen bleiben. Die Ärztin wartet schon auf uns. Sie versucht ebenfalls die Sonde zu spülen. Es geht fast nichts mehr durch. Da stimmt etwas nicht. Sie telefoniert mit der Radiologie. Wir müssen wieder zur Durchleuchtung. Junior hat heute Angst vor diesem Raum . Vor dem, was ihn heute erwartet. Ich beruhige ihn. Drücke ihn fest an mich. Ich lege ihn wieder auf diese harte liege unter das Durchleuchtungsgerät. Die Radiologin macht ein Bild und sogar mein ungeschultes Auge sieht sofort wo das Problem ist. Die Sonde ist auf Höhe des Magen Ausgang abgeknickt. Durch das viele Würgen ist die sonde hoch gerutscht, hat sich mehrfach aufgekringelt. Selbes Spiel wie gestern. Die Ärztin ruckelt und zuckelt und dreht und wendet. Heute tut es meinem Sohn nicht weh. Die Sonde findet schnell und unkompliziert ihren Weg. Es dauert nicht lange bis die Sonde wirklich richtig liegt. Sofort läuft galliges Sekret ab. M. entspannt sich, er bekommt wieder Farbe ins Gesicht. Die Übelkeit ist weg. Ich bin dankbar. Phu!

Es ist wieder Abend. Wieder ist ein Tag dahin, verschwendet. Es tut mir so leid für meinen Sohn. Er flirtet mittlerweile mit der Radiologin. Er lacht wieder. Das ist das wichtigste nach diesen zwei Tagen. Mir stecken sie in den Knochen. Ich würde die Tage für meinen so kraken Sohn gerne anders gestalten. Schön gestalten. Ich wäre gerne zuhause bei meinen Mädels. Mit ihnen konnte ich mich die zwei Tage kaum beschäftigen. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich würde es oft so gern anders machen. Aber es geht nicht. Mein kranker Sohn fordert mich und uns immer wieder bis an die Grenze. Er macht es nicht mit Absicht. Ihn nervt es doch auch. Doch es bringt mich einmal mehr an meine Grenzen.

Nun liegt diese Sonde, hoffentlich viele Monate ohne Probleme, tief im Dünndarm. Ohne Schlaufen und Knicke. M. Schläft. Ganz ruhig. Kein würgen, kein Erbrechen. Dafür hat sich dieser Marathon gelohnt. Ich liebe dich, meinen besonderer Sohn, der meine Tage so besonders macht! Ich küsse ihn. Danke Gott für dieses tolle Kind und auch für die Ärzte die ihm heute geholfen haben. Ich bete für die Herzen meine Mädels und dass eine Nacht ohne Katastrophen vor uns liegt. 


Familienausflug

Unserer Mädchen haben sich lange einen Ausflug in den playmobil fun Park gewünscht. Die 200 km lange Fahrt hinderte uns lange daran, ebenso wie die Tatsache, dass es für unsern M. ganz schön viel abverlangt einen ganzen Tag unterwegs zu sein. Irgendwann haben wir diese Herausforderung angenommen und kurzerhand fünf Karten vorbestellt.

Am Tag vor dem geplanten Ausflug rufe ich im funpark an. Ich schildere unsere Situation und frage, ob es im Park irgendwo einen Raum gibt, in dem wir steril arbeiten könnten. Infusionen an- und abhängen. Sie schlägt die Toilette vor. Nein, das geht gar nicht. Es darf sonst keiner in dem Raum sein. Es muss ein verschließbare Raum sein, in dem wir eine halbe Stunde alleine sein können. Außerdem müssen wir M. irgendwo hinlegen. Wie wäre es mit dem Wickelraum? Das ist nicht sauber genug. Letztlich versteht die nette Dame am Telefon auf was es ankommt. Sie schlägt uns einen Aufenthaltsraum vor. Das klingt gut. Ich bedanke mich für Ihr Entgegenkommen und fange schonmal an die Sachen für Junior zu packen. Windeln, spritzen, sterile Handschuhe, Desinfektionsmittel, Kompressen, Kochsalz Lösung,.... Eine riesen Tasche nur mit Pflege Utensilien. Die Infusionen und die Medikamente müssen ununterbrochen gekühlt werden. Ich packe sie samt kühlakkus in eine kühltasche. Wenn Junior so lange Auto fahren muss, wird er sicherlich spucken. Ich packe noch zwei Garnituren Wechselkklamotten ein.

Am Tag des geplanten Ausflugs packen wir morgens das Auto. Es sieht aus als würden wir auf weite Reise gehen. Mal wieder haben wir sämtliche Ladeapazität unseres Autos gesprengt. Irgendwo zwischen buggy, Infusionsständer und Pflege Utensilien schiebe ich noch ein Rucksack mit dem Proviant. Junior bekommt noch eine Infusion gegen die Übelkeit. Als die Spülung durchgelaufen ist, packen wir ihn ins Auto. Ich achte darauf, dass die Infusions Leitungen nicht abknicken und der Ablauf aus dem Magen gewährleistet. In einem speziellen reha kindersitz wird der Oberkörper meines Sohnes gut gestützt. Er sitzt bequem. Die Mädels sind fröhlich singend auf ihren Plätzen. Es kann los gehen. Nach zwei Stunden Fahrt sind wir endlich am ersehnten Ziel. Ein Parkwächter lotst uns auf einen großen Parkplatz, ein ganzes Stück entfernt von Park. Wir fragen nach einem behinderten Parkplatz. Die gibt es, direkt am Eingang. Perfekt! Wir parken auf einem mit Rollstuhl gekennzeichneten Parkplatz. Noch bevor wir aussteigen können, weist uns ein junger Herr darauf hin, dass wir hier nicht stehen bleiben dürfen. Das wäre ein Parkplatz für Invalide. Ich zeige in die Richtung des behinderten Parkausweis in unserer Windschutzscheibe. Er schaut sich den Ausweis an, dann mich. Nein, ich bin nicht behindert. Aber ich habe ein Schwerbehindertes Kind. 'oh' sagt er, schaut unsicher auf den Boden und läuft weg.

Ich manövriere meinen Sohn samt seinen Gerätschaften in den Buggy und verteile die Gepäck Stücke. Ich nehme den größten Rucksack. Eine Tasche hänge ich an den buggy. Papa trägt den Proviant Rucksack. Die Mädels bekommen je eine Tasche zum Tragen. Im Park erkunden wir uns als erstes nach Schließfächern. Dort verstauen wir all die Pflege Utensilien für M. Gerade wollten wir den Park erkunden, da klingelt das Handy. Die Apotheke erfragt die wöchentliche Bestellung. Das hatte ich ganz vergessen. Aber ich habe im Kopf, was wir brauchen. Kanülen, überleitsysteme, Bionector. Eine durchsage dröhnt durch die Lautsprecher. Ich verstehe mein eigenes Wort nicht mehr. Irgendwie schaffe ich es, die Bestellung fast vollständig durchzugeben. Dann kann es richtig los gehen. Unsere Mädels bestimmen die Route. Sie haben viel Spaß. Junior sitzt im Buggy und ist ebenfalls vergnügt. Die Blicke der Leute interessieren mich heute gar nicht. Ein schöner Tag!

Als es Zeit ist, die Infusionen frisch anzuschließen melden wir uns bei der Information. Die Dame weiß gleich Bescheid und zeigt uns den klimatisierten, hübschen Aufenthaltsraum. Perfekt! Es gibt ein kleines Sofa auf das wir Junior gut lagern können. Außerdem genug Ablagefläche. Wir desinfizieren alle Oberflächen und breiten unsere Materialien aus. Wir bereiten alle Infusionen vor und schließen Sie schließlich an. Das hat super geklappt. Die Mädels warten auf uns. Auch sie haben es super gemacht. Wir entsorgen den Müllberg, der beim sterilen arbeiten leider immer entsteht und halten noch kurzen Smalltalk mit der Dame an der Information.

Dann haben wir noch ein bisschen Zeit im Park. M. Ist mittlerweile fix und fertig. Ich stelle die Rückenlehne des Buggys weiter nach hinten, er macht es sich gemütlich. Ich freue mich! Mit viel Organisation und dem sehr freundlichen Entgegenkommen des Parkes konnten wir einen fast normalen Familien Ausflug genießen. Mal wieder bestätigt es sich : geht nicht, gibt's nicht.


Alltags Herausforderung 'Auto'

Das Equipment das wir für unsern M. brauchen wird immer mehr. Immer größer. Regelmäßig stößt unser Auto, ein eher großer Familien Van, an seine Grenzen. Buggy, Laufhilfen, Infusionen, Medikamente sind nur ein Teil dessen, was wir mitnehmen müssen, wenn wir mit Junior unterwegs sind. Oft stehe ich am offenen Kofferraum und fühle mich, als spiele ich Tetris in lebensgröße. Viel schwerwiegender als mein oft mangelndes Tetris Talent sind meine Bandscheiben, die sich bei jedem Versuch den xxl Buggy irgendwie in dieses Auto zu manövrieren, melden. Anfangs sagten sie leise 'Pass auf uns auf' mittlerweile brüllen und toben sie bei jedem weiteren Versuch. Der Reha kindersitz meines Sohnes ist ebenfalls deutlich größer als alles Handelsübliche. Junior mit laufenden Infusionen, diversen Ablaufbeutel und Kabeln in diesen Sitz zu befördern stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Mit all seinem Gepäck ist es sehr sehr eng auf de Rückbank.

Immer öfter entscheiden wir Zuhause zu bleiben, als erneut dieses Kind samt allem Zubehör ins Auto zu stopfen. Das ist nicht gut. Das isoliert uns und die Mädels von der Welt. Das Problem haben wir erkannt. Nun machen wir uns an die Lösung.

Wir recherchieren im Internet welche Autos geeignet wären für unsere Bedürfnisse. Zügig gibt es einen Favoriten. Wir vereinbaren einen Termin im Autohaus zum Probefahren, packen Kinder samt allen notwendigen Hilfsmitteln in unser gern gefahrenes, wirklich gutes Auto und machen uns auf den Weg. Das gewünschte Model steht bereits für uns bereit. Der polierte Lack glänzt in der Sonne. Ein schönes Auto! Meine Wehmut, unser Auto eintauschen zu müssen, schwindet. Mit diesem Modell könnte ich mich anfreunden. Vorallem ist es rieseg! Platz Probleme wird Es nicht mehr geben. Der Verkäufer kommt mit dem Auto Schlüssel in der Hand auf uns zu und fragt, ob wir gleich los fahren wollen. Ich verneine.unser erstes Kriterium ist es, den Buggy etc in den Kofferraum zu verstauen. Er schaut etwas skeptisch, öffnet dann die Kofferraum Klappe und sagt das dürfte kein Problem darstellen. Weit gefehlt. Es scheitert tatsächlich. Wie wir es drehen und wenden - dieses riesen Auto ist zu klein für unsere Bedürfnisse. Enttäuscht sagen wir dem Verkäufer , dass es sich hiermit erledigt hat. Unsere Zeug wird nicht kleiner, nicht weniger. Eher im Gegenteil. Ernüchternd.

Wir verstauen alles in unsern family van und fahren nach Hause. Dieses Erlebnis wiederholt sich. Wir schauen Autos an, scheitern aber immer wieder am selben Punkt : zu wenig Laderaum. Die Suche geht weiter. Wir wollen uns nicht durch diese Umstände einschränken lassen. Es muss und es wird eine Lösung geben. Ich erkläre den Autoverkäufern, dass wir ein Platzwunder brauchen. Aber nein, wir sind keine Millionäre. Ich ernte ratlose Blicke. Mittlerweile wiegt das Argument 'dieses Auto gefällt uns oder gefällt uns nicht' nicht mehr viel. Die Frage ist 'wie groß ist der Laderaum?' Unsere Mädels fragen im vollen Ernst, warum wir keinen LKW kaufen. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken :)

Ich stelle mir die Frage :Wie sähe es mit diesem Thema aus, wenn wir drei gesunde Kinder hätten? Wir würden unseren Van, den wir damals extra auf drei Kinder ausgelegt gekauft hatten, weiter fahren. Der Kofferraum ist absolut ausreichend für eine fünfköpfige Familie. Wir wären längst ohne Kinderwagen unterwegs. Ein Verkauf stünde nicht zur Diskussion. Aber wir haben unsern M. mit allem was er mitbringt. Unser besonderes Kind mit besonderen Bedürfnissen und immer wieder besonderen Herausforderungen. Ich schiebe die Gedanken 'was wäre wenn' mal wieder zur Seite und nehme diese Herausforderung an. Denn : geht nicht, gibt's nicht! 

Nachtrag : Lösung in Sicht. 


Kindergarten

Die Corona Maßnahmen lockern sich immer weiter. Schulen und Kindergärten öffnen wieder. Die Familien atmen auf. Endlich ist die lang ersehnte Entlastung in greifbarer Nähe. Die Kinder dürfen immer mehr Stunden in Schule und Kindergarten. Endlich dürfen Sie wieder Kontakt zu gleichaltrigen haben, endlich wieder auf Spielplätzen toben. Eine enorme Entlastung im Alltag von Familien.

Nur bei unserem besonderen Kind funktioniert das leider nicht. Er besucht einen Kindergarten für körperlich - und geistig behinderte Kinder. Mit ihm sind 5 Kinder in der Gruppe. Er liebt den Kindergarten, seine Erzieherin. Er mag den Morgenkreis und das Spielen mit anderen Kindern. Das Personal kann super auf seine speziellen Bedürfnisse eingehen. Mal schaffen sie ihm die nötigen Ruhepausen, ein andermal Angebote, die er Kräfte mäßig schaffen kann.

Durch seine vielen langen Krankenhaus Aufenthalte sind die Wochen, die er mit seinen 5 Jahren im Kindergarten war, allerdings überschaubar.

Nur wenn er nicht in der Klinik ist und nur wenn es ihm gut geht, darf er Stundenweise in den Kindergarten. Stunden, die er sehr genießt und Stunden für mich Zuhause zum Aufatmen. Kurze Momente der Ruhe, zum Kraft tanken. Ich lege Zahnarzt Termine in die Stunden in denen Junior im Kindergarten gut betreut ist. Ich gehe auch mal zum Friseur oder zu einer Freundin. Es ist nicht lange. Mal zwei, mal drei Stunden. Aber diese Zeit ist sehr wertvoll. Ich schaffe etwas im Haushalt ab oder hole ein bisschen Schlaf nach.

Da Junior weder von Freunden noch von Oma und Opa betreut werden kann, sind die Kindergarten Stunden unsere einzige Möglichkeit für solche Momente des Luftholens.

Auf Grund seiner komplexen Erkrankung hat M. immer eine Kinderkrankenschwester dabei. Sie gibt Medikamente, schaut nach den Infusionen, dem Magen Ablauf usw. Nun öffnen die Kindergärten. Auch Juniors Kindergarten darf wieder im vollen Umfang öffnen. M. ist stabil, er könnte in den Kindergarten. Er möchte auch. Er fragt viel danach. Aber der Pflegedienst hat so spontan kaum Kapazität für ihn und ohne Krankenschwester darf er nicht in den Kindergarten, er muss zuhause bleiben.

Das lässt mich traurig zurück. Es fühlt sich nicht fair an. Weil unser Sohn ist wie er ist - schwerkrank - liegen immer wieder Steine auf seinem Weg. Während seine Schwestern wieder in die Schule dürfen und alle Kinder aus der Nachbarschaft in den Kindergarten, muss er weiterhin Zuhause bleiben. Diese paar Stunden raus kommen bleiben ihm verwehrt. Für mich ist keine Entlastung, keine Pause in Sicht. Ganz im Gegenteil. Die nächsten Wochen hat er Vormittags nicht mal seine Schwestern zum Spielen, niemand der in sein Bett schlupft und ihm vorliest, ihn durchkitzelt oder mit der Bettdecke ein Zelt baut.

Es drängt sich die Frage auf, ob ich ihn nicht gern bei mir habe. Die Zeit mit ihm besonders genieße. Klar! Ich liebe ihn von Herzen und habe ihn gern bei mir. Dennoch ist es manchmal gut, eine kurze Pause zu machen.

Mit erledigten ToDo Listen und neuer Kraft habe ich definitiv mehr Ruhe und Geduld für meine Kinder als wenn mir ein großer Aufgaben Berg im Rücken hängt, den ich neben Juniors Betreuung nicht bewältigen kann . Dabei denke ich gar nicht an eine Kindergarten Betreuung 5 Tage die Woche . Das würde M. gar nicht schaffen. Einzelne Stunden wären schon so hilfreich . Es geht mir auch nicht darum anzuklagen. Sowohl der Kindergarten wie auch der Pflegedienst haben ihre begründete Argumente.

Mit diesem Beitrag möchte ich einmal mehr Einblick in unseren Alltag geben. Einblick in die alltäglichen Herausforderungen im Leben eines behinderten Kindes. Nichts läuft einfach so wie bei allen anderen. Alles ist immer nochmal schwieriger. Jeder Alltags Bereich bringt seine Herausforderungen mit.

Die Wochen bis zu den Ferien werde ich mit meinem Sohn zusammen schön gestalten. Wir machen das Beste daraus und hoffen dass er im September zum neuen Kindergartenjahr fit genug ist, wieder zu starten.  

 

Kontrastmittel

Eine Untersuchung in der Klinik steht an. Wir kennen sie schon. Sie wird regelmäßig durchgeführt um den Verlauf zu beurteilen. Junior bekommt kontrastmittel sondierst und unter Durchleuchtung wird beobachtet wie das kontrastmittel weiter transportiert und schließlich ausgeschieden wird. Bei gesunden Kindern dauert das etwas 30-60 Minuten. Bei M. hat es schon immer länger gedauert. Wir bringen Zeit mit.

Um zehn Uhr geht es los. Junior liegt gemütlich auf der Liege. Sein Blick hängt auf dem Bildschirm auf dem ein Zeichentrickfilm läuft. Eine super Ablenkung für die Kinder, die längere Untersuchungen vor sich haben. Der Arzt spritzt vorsichtig das Kontrastmittel in die Magen Sonde und macht ein Bild. Man sieht, wie das kontrastmittel im Magen ankommt, wie der Magen sich langsam füllt. Der Arzt, ein erfahrener Professor wartet ein paar Minuten bis er das nächste Bild macht. In der Erwartung, der Magen habe sich bereits entleert und das kontrastmittel sei zum größten Teil im Dünndarm angelangt drückt er auf den Auslöser. Er schaut sich das Bild an, es hat sich zur Voraufnahme nichts verändert. Der Magen ist prall gefüllt. Okay, wir müssen noch ein paar Minuten warten. Nach einigen Minuten wiederholt er seine Röntgenaufnahme. Er schaut sich das Bild an- es hat sich wieder nichts verändert. Jetzt drehen wir junior auf seine rechte seite damit der Magen sich besser entleeren kann und warten eine weitere viertel Stunde. Er starrt weiter auf den Fernseher. Der Arzt geht nach nebenan, bei einem anderen Kind einen Ultraschall durchführbar. Nach einer guten viertel Stunde kommt er wieder und drückt motiviert auf den Auslöseknopf. Er schaut verdutzt, als das Bild immer noch unverändert ist. So geht es noch eine zeitlang. Um 13 Uhr sagt er, wir warten jetzt eine Stunde bis zur nächsten Aufnahme. Er geht etwas zu Mittag essen. Ich packe Junior in seinen Buggy und gehe mir einen Kaffee kaufen. Ich esse meine mitgebrachten Brote, trinke den Kaffee und telefoniere mit Zuhause. Ich sage bescheid, dass es noch etwas dauern wird, bis ich wieder komme. Nach einer Stunde gehe ich zurück in die Kinder Radiologie. Ich ziehe Junior wieder aus und lagere ihn gut auf der Liege. Der Arzt kommt, stellt seine Geräte ein und macht ein Bild. Ich bin begeistert. Etwas kontrastmittel hat den Magen verlassen und stellt den Dünndarm dar. Der Arzt ist nicht zufrieden. Ernüchternd. Er hatte mehr erwartet. So machen wir weiter. Mal warten wir eine halbe Stunde, mal eine ganze . Das Kontrastmittel bewegt sich zwar, aber viel zu langsam. Der Arzt ist motiviert, die Darstellung bis zum Schluss zu dokumentieren. Die Zeichentrickfilme wiederholen sich immer wieder. Fast kann ich mitsprechen. Junior macht es super. Er ist so geduldig. Um 15.30 Uhr sagt der Arzt dass er in einer Stunde die nächste Aufnahme möchte. Da hakt die zuständige Arzthelferin ein. Sie hat um 16 Uhr Feierabend. Das ist dem Professor herzlich egal. Er möchte die nächste Aufnahme um 16.30 Uhr. Ich nutze die Stunde um ein Gespräch mit dem zuständigen Gastrologen zu suchen. Ich habe viele Fragen. Er hat Zeit und antwortet mir geduldig. Wir sprechen über schlechte Blutwerte, über Juniors abbauende Grobmotorik und mögliche Prognosen. Das Gespräch gibt mir den Rest, Ich bin nicht mehr motiviert. Möchte eigentlich nur noch nach Hause. Um 16.30 Uhr gehen wir wieder zur Kinderradiologie. Der Gastrologe begleitet uns. Er möchte das Desaster mit eigenen Augen sehen. Ich ziehe meinen Sohn wieder aus. Lege ihn hin. Der Zeichentrickfilm läuft immer noch. Der Professor kommt, stellt alles ein und macht das Bild. Alle starren auf den Monitor. Er schüttelt den Kopf. Das hat er noch nie gesehen sagt er. Das Kontrastmittel ist noch nicht mal in der Nähe des Enddarmes. Wir brechen die Untersuchung hier nach 7 Stunden ab. Ich bin müde und hungrig. Die Ärzte schauen weiter ungläubig die Bilder an. Sie fangen an dieses Ergebnis zu interpretieren und diskutieren. Sie Staunen wie schlecht dieses Ergebnis ist. Was machen wir jetzt frage ich sie. Im Moment sieht der Professor der Kinderradiologie und der Oberarzt der Kinder Gastrologen ratlos aus. Sie wollen sich besprechen, das Ergebnis auch den Chirurgen zeigen und sich dann in den nächsten Tagen telefonisch bei mir melden.

Ich verlasse die Klinik zügig, bezahle mein Parkticket und stürze mich in den Feierabend Verkehr. Während der zwei stündigen Fahrt hänge ich meinen Gedanken nach. Ein Ergebnis, dass der Professor so nie gesehen hat. Ein ratloser Gastrologe. Mehr rote als grüne Labor Werte. Junior ist schnell in seinem Autositz eingeschlafen. Er sieht friedlich aus. So ein süßer Junge. Mein Junge!

4 Tage später wundere ich mich einen Moment über die Farbe seiner Ausscheidung. Schnell ist mir klar - das ist das Kontrastmittel, das endlich seinen Weg gefunden hat. Mein Sohn macht die Dinge einfach immer etwas anders, als die anderen. Anders, als es die sehr schlauen Menschen erwarten. Er macht es besonders. 

Der mit Kontrastmittel gefüllte Magen


Zeit

Die Tage erhielt ich eine Nachricht von einer Ärztin. Eine Neuropädiaterin die sehr nah an M. war, ihn intensiv betreut hat. Seit einiger Zeit hat sich der Fokus eher zu den Gastrologen verschoben. Sie war im Hintergrund dennoch oft beratend und mitdenkend dabei. Für uns hat sie einen wichtigen Teil in der Krankengeschichte unseres Sohnes. Wir schätzen Ihre sehr ehrliche, direkte und doch liebevolle Art sehr. Nun schrieb sie mir Zeilen, die mir nach gehen. Sehr weise Zeilen. Man könnte Postkarten oder Kalender damit füllen. Oder wenigstens einen Eintrag in diesem Blog. Sie schrieb :

Geschenkte gemeinsame Zeit, die man als Geschenk wahrnimmt und auch entsprechend nutzt, ist wohl das kostbarste, was wir alle auf dieser Erde haben.

Da brauche ich nicht viel dazu schreiben. Diese Worte sprechen für sich und ich fände es schön, wenn sie noch manchen Blogleser zum Nachdenken bringen. Wir müssen wahrnehmen, dass uns die Zeit geschenkt ist und wir müssen diese Zeit nutzen. Da ist es meines Erachtens nicht wichtig, ob man ein Kind erzieht das lebensverkürzend erkrankt ist oder etwas ganz anderes tut. Unser aller Zeit die wir hier auf der Erde haben ist wertvoll und kostbar, ein Geschenk. Wir können die Zeit verschwenden mit unwichtigen Dingen. Oder wir können Sie nutzen. Sie füllen mit gutem und schönem. Wir können gestalten und Formen. Das gilt für jeden Tag, der uns auf dieser Erde geschenkt ist. Denn Zeit ist, was du daraus machst. Vielleicht fällt es mir manchmal leichter die Zeit entsprechend zu nutzen, weil sie uns sichtbar durch die Finger rinnt. Ich möchte diesen Gedanken Anstoß aber bewusst auch hier weiter geben. Denn letztlich weiß niemand, wieviel Zeit uns noch zusammen bleibt.


Durchkreuzte Pläne

Meine große Tochter ist ein großer Pferde Fan. Sie interessiert sich für alles was mit Pferden zu tun hat und liebt es in der Nähe- oder am liebsten auf dem Rücken- dieser Tiere zu sein. Bei uns im Garten steht ein Exemplar aus Holz. Ein echter Sattel und diverses Pferde Zubehör lassen alles sehr echt wirken. Viele Stunden hat sie schon spielend auf diesem Holzpferd verbracht. Die Farbe des Pferdes ist allerdings sehr in die Jahre gekommen. So hatte meine Tochter die Idee, das Pferd zu streichen.bei der Gelegenheit kann sich dieses Pferd einer Typveränderung unterziehen. Aus dem braunen Tier soll ein weißes werden. Eine neue Mähne möchte sie basteln. Sie ist begeistert von der Idee und voller Tatendrang. Ich finde die Idee auch gut, unterstütze ihr vorhaben. Ein tolles Projekt für die Ferien, die wir noch eine Woche genießen dürfen. Zuerst müssen wir die alte Farbe etwas abschmiergeln. Ich sage meinen Mädels, die es gar nicht abwarten können endlich loszulegen, dass sie schon mal raus können, ich komme gleich. Ich muss noch etwas im Haushalt erledigen. Dann M. für den Garten fertig machen. Er darf mit raus. Die letzten Tage und heute waren super. Er kann draußen im Sand spielen. Wenn er nicht mehr kann, darf er uns vom Buggy aus zuschauen. So der Plan.

Ich mache ein paar Handgriffe in der Küche, Räume hier und da ein bisschen auf, als ich plötzlich M. weinen höre. Ich schaue nach ihm. Er liegt auf dem Boden und weint. Ich versuche herauszubekommen was passiert ist. Ob ihm etwas weh tut. Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich nehme ihn auf meinen schoß. Er hat null Körper Spannung. Er kann nicht mehr sitzen oder gar stehen. Seine Energie für diesen Tag scheint aufgebraucht. Es ist doch erst früher Nachmittag! Ich kann ihn beruhigen. Doch dieser Tag ist gelaufen. Es ist nicht daran zu denken ihn mit raus zu nehmen. Ich packe ihn ins Bett. Schalte das Babyfon an. Im Garten habe ich guten Empfang. Ich höre ihn gut, wenn etwas ist. M. weint wieder. Es scheint ihm überhaupt nicht gut zu gehen. Er möchte nicht alleine sein. Das kann ich gut verstehen. Aber ich habe doch ein Projekt mit meinen großen vor. Die eine ruft 'Mama wann kommst du?' ich rufe zurück 'gleich!' M. würgt immer wieder. Ich muss ihm etwas gegen die Übelkeit geben. Zuerst renne ich in den Keller und hole Schleif Papier. Ich zeige den Mädels, wie sie schon mal anfangen können. Die Große schaut mich fragend an 'ich dachte du machst mit!?' ich sage, dass es M. nicht gut geht und ich noch etwas Zeit brauche, bis ich raus kommen kann. Sie hat Verständnis, wie immer. Sie hat ja auch keine Wahl. Doch sie ist auch enttäuscht. Aus dem Babyfon höre ich meinen Sohn wimmern. Die großen fangen an zu schmiergeln, ich renne zurück zu Junior. Ich bereite eine Infusion gegen die Übelkeit vor und hänge sie an. Zu spät, M. hat schon gespuckt. Ich ziehe ihn um. Das ist für ihn jetzt gerade sehr anstrengend. Bevor er richtig einschläft muss ich noch eine neue Nahrungs Infusion anhängen. Ich bereite die Infusion vor. Immer wieder schaue ich aus den Fenster zu meinen Töchtern. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Denn ganzen Tag haben wir darüber gesprochen, dass wir heute Nachmittag zusammen mit dem Pferde Projekt anfangen. Ich möchte gerne raus. Ihnen helfen, mit ihnen zusammen sein. Aber es geht nicht. Mein kranker Sohn braucht mich. Völlig unerwartet geht es ihm heute Nachmittag sehr schlecht. Ich hänge die Nahrungsinfusion an. Schnell, schnell! Das ich endlich raus kann. Ich ermahne mich selbst. Diese Tätigkeit darf niemals schnell schnell gemacht werden. Ein falscher Handgriff könnte der letzte sein. Ein unachtsamer Moment könnte eine total Katastrophe auslösen. Ich sortiere mich nochmal neu. Ich konzentriere mich und arbeite ordentlich und bedacht. M. weint immernoch. Er ist ganz kalt. Sein Körper hat keine Energie um die Körpertemperatur zu halten. Ich schalte die Heizdecke an und ziehe ihm noch einen Pullover über. Er ist fertig. Alle Medikamente sind eingelaufen. Die frische Nahrung hängt. Die peg Sonde ist versorgt. Junior ist warm eingepackt im Bett. Ich sitze neben ihm. Er hält meine Hand ganz fest. Er kann mich nicht gehen lassen. Es geht ihm nicht gut. Er braucht meine Nähe.

Der Nachmittag ist vorbei. Gleich muss ich die Mädels rein holen. Ich bin traurig. Enttäuscht. Auch wütend. Richtig sauer. Nicht auf M. er kann ja nichts dafür. Wütend über die Umstände. Über diese Krankheit. Über das unberechenbare das mir immer wieder alle Pläne über den Haufen wirft. Ich schaue meinen blassen Sohn an. Einen kurzen Moment denke ich, wie leicht alles wäre wenn er gesund wäre. Einbahnstraße. Dieser Gedanke bringt mich und uns nicht weiter. Ein bisschen hänge ich noch meinen Gedanken nach. Der Enttäuschung, der Wut. M. kommt langsam zur Ruhe. Es ist mittlerweile früher Abend. Eigentlich Zeit fürs Abendessen und Feierabend. Ich habe weder den Haushalt gemacht, noch konnte ich mein Versprechen einhalten und am Holzpferd arbeiten. So ein Mist!

Ich stoppe meine Gedanken. Es ist jetzt wie es ist - und es wird, was ich daraus mache. M. schläft. Ich lagere ihn, sorge dafür dass die Sonden gut ablaufen. Ich packe ihn warm ein und küsse seinen kalten Kopf. Ich liebe dich so sehr kleiner Kerl. Ich schließe ihn an den Monitor an um Atmung und Puls zu überwachen.

Und dann gehe ich raus! Endlich! Mittlerweile hat Papa Feierabend und schraubt und sägt mit den Mädchen am Pferde Projekt. Ich kann sie unmöglich jetzt unterbrechen und rein schicken. Ich entschließe mich kurzfristig dazu, den Feierabend zu verschieben. Gemeinsam schleifen, sägen und Schrauben wir. Es macht Spaß. Wir genießen diese Zeit. Die große freut sich, dass es nun doch noch voran geht. Immer wieder schaue ich nach Junior. Er schläft ruhig. Es wird spät bis wir endlich am Abendbrot Tisch sitzen. Noch später bis die Mädels im Bett sind. Zu spät um liegen gebliebene Wäsche und Co noch aufzuarbeiten. Trotzdem kann ich diesen Tag gut beenden. Wieder einmal wurde sämtliche Spontanität von mir abverlangt. Diese Krankheit ist nicht planbar, nicht berechenbar. Sie dominiert unsern Alltag, kreuzt meine Pläne und Vorhaben. Manchmal gelingt es mir besser ruhig dabei zu bleiben, manchmal schlechter. Es gehört dazu, zu unserem doch sehr besonderen Alltag


Hannah

Wir haben Glück und können noch ein paar Tage Urlaub auf einem Ferienhof ergattern. M. ist stabil genug und nach enger Abstimmung mit den Ärzten packen wir das Auto und machen uns wirklich auf den Weg. 400 km liegen vor uns. Die erste Herausforderung. M. kann nicht lange sitzen. Er bekommt schnell Schmerzen. Wir planen viele viele Pausen ein. Bevor wir los fahren, bekommt er eine Infusion gegen Übelkeit. Es geht los und ich bin überrascht - dieses Mal macht er es wirklich gut! Gut gelaunt kommen wir an und freuen uns auf ein bisschen unbeschwerte und unverplante Familienzeit.

Das Gepäck ist schnell aus dem Auto in die Ferienwohnung geräumt . Während für jeden von uns ein kleiner Koffer genügen muss, haben wir für Junior Kistenweise Materialien dabei. Einen Infusionsständer, Lagerungs Utensilien und Berge an Wechselklamotten. Ein steriler Arbeitsplatz wird eingerichtet und all die Materialien für Juniors Pflege finden Ihren Platz. Seine aufwendige Versorgung macht auch im Urlaub keine Pause.

Dann erkunden wir den Ferienhof. Es gibt Pferde! Die Kinder sind im Glück. Es gibt Hühner und Hasen. Ein Trampolin, ein Fußballplatz, einen riesengroßen Spielplatz und jede Menge Fahrzeuge. Kettcars, Roller, Skateboard usw. Was braucht Kind mehr? Die Mädchen sind sofort am spielen . M. ist mit mir im Buggy unterwegs. Er hat auch Freude am Trampolin, er sandelt gerne und ist glücklich bei den Pferden. Er braucht immer wieder Pausen. Wir merken hier deutlich, wie wenig er mittlerweile körperlich belastbar ist. Ein bisschen macht es mich traurig, den Abbau immer deutlicher zu sehen.

Am zweiten Tag kommt ein kleines blondes Mädchen auf uns zu. Hannah. Sie fragt warum M. soviele Kabel an sich hat. Ich versuche es mit einer kurzen Antwort. Er ist sehr krank. Damit gibt sie sich nicht zufrieden. Was hat er? Kann er gar nichts essen? Kann er trinken? Sie ist vier Jahre alt und möchte es genau wissen. Ich erkläre ihr Juniors Besonderheiten. Für den Moment reichen ihr meine Antworten. Doch schon bei der nächsten Gelegenheit ist sie wieder da. Sie hat sich offensichtlich viele Gedanken gemacht und bombardiert mich nun mit weiteren Fragen. Warum dieser Rucksack? was ist in diesem Beutel drin? Tut das weh? Wie kommt die Flüssigkeit aus dem Rucksack genau in Sohnemanns Körper? Ich beantworte ihre Fragen so gut ich kann, zeige ihr das Pflaster über der Portnadel. Ich bin beeindruckt von diesem vier jährigen Mädchen. Von ihrer offenen Art und von ihrem Mut auch unbequeme Dinge anzuspren. Sie begegnet M. sehr offen und liebevoll. Später komme ich mit ihrer Mutter ins Gespräch. Sie entschuldigt sich für die vielen Fragen. Nein! Es gibt nichts zu entschuldigen! Es ist mir so viel lieber, jemand fragt tausend mal nach, anstatt beschämt weg zu schauen, auf Abstand zu gehen oder hinter Juniors Rücken über ihn zu reden. Ich finde Hannah klasse. Ich wünsche mir viele kleine und große Hannah's die mir begegnen und nicht ausweichen.

Wir genießen die Urlaubs Tage sehr. Kraft für große Ausflüge oder Unternehmungen hat Junior nicht. Wir liegen viel zusammen auf der Wiese. Wir fahren mit dem Buggy so nah es geht ans Hühner Gehege um die Hühner zu füttern oder streicheln Pferde. Wenn er nicht mehr kann, darf M. ins Bett. Das Babyfon reicht weit über den Hof. Dann habe ich meine ganze Aufmerksamkeit bei den Mädels. Wir springen zusammen Trampolin, spielen Fußball oder Brettspiele. Wir verbringen viel Zeit zusammen. Ohne Handy. Ohne Termine. Ohne das klingeln des Telefons oder an der Haustür. Wir grillen und bestellen das Eis Taxi. Zwischendurch bereite ich Infusionen vor, ziehe Medikamente auf, spüle die Sonden, leere Ablaufbeutel, steche neue Portnadeln und bin rund um die Uhr für die besonderen Bedürfnisse meinenes Sohnes da. Das macht auch im Urlaub keinen Halt. Dankbar sind wir, dass keine größeren Katastrophen passieren und wir die Klinik hier nicht brauchen.

Wie schön es hier ist! Dankbar genießen wir diese Tage - anders als die meisten anderen Familien hier - aber sehr intensiv.


Wandern

Es ist Wochenende. Die Sonne scheint. Wir sitzen am Frühstück und überlegen uns, was wir heute machen. 'Wandern' sagt die große. Der Rest ist begeistert. Schnell steht der Plan: Wir fahren zu einem nahegelegenen Wanderpfad und nehmen ein leckeres Picknick mit. Heute geht es Junior gut. Wir überlegen kurz ob wir ihm so einen Ausflug zumuten können. Heute wird er es schaffen. Auch er ist begeistert vom Wandern. 'M. liebt Wandern' lässt er alle wissen. Die eine Tochter lacht und sagt 'weiß der denn was wandern ist?' Nein, natürlich nicht. Die andere Tochter schaut mich ernst an und sagt 'aber der kann doch gar nicht wandern' nein, natürlich nicht. Aber der wanderpfad ist buggy tauglich.

Nachdem alles geklärt ist gehen sich die Mädels anziehen und fertig machen. Papa macht Sohnemann ausgehfertig und Mama kümmert sich um das Picknick. Ich schmieren Brote, schneide Gemüse und Obst und koche Eier. Als ich höre, dass sie Mannschaft schon auf dem Weg zu den Schuhen ist rufe ich dass sie an Sonnen Mützen und dünne Jacken denken sollen. Ich verpacken alles in Brotdosen, Fülle Trinkflaschen und suche ein paar Süßigkeiten raus. Ich ziehe alle Medikamente für den Tag auf, packe Notfall Medikamente, Schmerzmittel und etwas gegen Übelkeit in den Rucksack. Ich rufe nochmal durchs Haus und erinnere an Sonnen Mützen und dünne Jacken. Bekomme ein genervtes 'jahaaa' zurück. Ich packe Rucksäcke, bringe sie zum Auto. Die Kinder sitzen schon in ihren Sitzen. Der Papa verstaut den sperrigen Buggy im Kofferraum. Wir überlegen kurz zusammen ob wir an alles gedacht haben. Windeln, Notfall Medikament, regelmäßige Medikamente, genug spritzen, Picknick... Alles da. Ich kann es nicht lassen und vergewissern mich Noch einmal ob jedes Kind sonnenmütze und eine Jacke dabei hat. Es ist alles da. Die Frisur meiner mittleren sieht spanned aus. Sie scheint sie sich selbst gemacht zu haben. Ich schmunzle, sage aber nichts. Es bringt nichts, sie mag es gern mal wild :)

Es kann los gehen. Nach einer halben Stunde sind wir am Wanderparkplatz angekommen. Wunderschöne 9 km durch den Wald, durch Wiesen und an Flüssen vorbei liegen vor uns. Die Mädels springen aus dem Auto und hüpfen vergnügt umher. Ich hebe M. Aus seinem Sitz und setze ihn gemütlich in seinen Buggy. Ich sortiere das Kabelchaos und hänge den Rucksack mit den Infusionen an den mobilen Infusionsständer am Buggy. Die Fahrt war anstrengend für M. es ist ihm ein bisschen schlecht. Er braucht im Moment meine volle Aufmerksamkeit. Wir laufen los. Ich suche eine gute sitzposition für M. und kümmere mich darum dass er nicht friert. Apropos frieren, ob es den Mädels warm genug ist? Sie sind ein ganzes Stück vor mir. Als ich sie eingeholt habe sage ich zur mittleren sie soll bitte ihre Jacke anziehen. Im T-Shirt ist es im Wald noch zu frisch. Sie schaut mich mit großen Augen an. Jacke??? Nicht im ernst, sie hat keine dabei! Und wo ist der Sonnenhut? 'oh, im Auto'. Das darf nicht wahr sein! wie oft habe ich das heute morgen gesagt? Na gut, selbst schuld. Dann muss es ohne Jacke und Sonnenhut gehen. Wir laufen weiter. Es dauert nicht lange bis ich höre 'mir ist kalt'. Das war klar. Um die Stimmung zu retten zieht Papa schnell seinen Hoodi aus und gibt ihm seiner Tochter. Er reicht ihr fast bis zu den Knöcheln. Die Hände sind natürlich komplett verschwunden. Das können wir nicht machen. Aber meine Tochter scheint es zu gefallen. Ihr ist warm, sie findet den Pulli super. Ich nenne sie oft meine freestylerin. Sie tut und sagt und zieht an was sie möchte. Was andere denken ist ihr herzlich egal. Wenn jemand etwas sagt kontert sie sicher. So fällt sie öfter mal durch 'interessante' styles auf. Nachdem mein Mann mir versichert, dass es für ihn warm genug ist im t-shirt, laufen wir weiter. Die Idee mit dem Wandern hatten heute noch mehr. Seine Ruhe hat man hier heute nicht. Gut gelaunt lassen wir uns auch davon nicht die Stimmung vermiesen. Wann immer wir an Leuten vorbei kommen, werden wir angeglotzt. Junior fällt mit all den Kabeln auf. Manche versuchen dezent einen Blick zu erhaschen, andere glotzen fast unverschämt. Wir kennen das. Mein Mann und ich stimmen leise ein Lied an 'lass sie einfach glotzen, lass sie denken was sie wollen'. Wir müssen das mit Humor nehmen. Es macht uns längst nichts mehr aus. Wir laufen weiter vorbei an Tümpeln mit Molchen und Fröschen, balancieren über Baumstämme am Wegesrand und genießen die Natur. Wir versorgen Junior mit Medikamenten. Es geht ihm gut. Halb liegend genießt auch er diesen Ausflug. Mittlerweile hat Papa auch seine schirmkappe an seine mittlere Tochter abgegeben. Der schräge Zopf, die zu große Kappe und der riesen Pulli geben ihr den Look einer Streunerin. Sie liebt es. Fröhlich hüpft sie über Steine, pflückt Blumen und stapft durch den Wald. Gerade überholt uns wieder eine Wandergruppe. Und Es wird geglotzt. Diese Blicke durchbohren mich fast spürbar. Plötzlich muss ich lachen. Mein Mann schaut fragend. Ich sage, dass ich mir gar nicht sicher bin ob die alle M. anglotzen. Heute könnte durchaus auch unsere mittlere der Grund für irritierte Blicke sein. Wir lachen beide. Heute können wir tatsächlich nicht sagen, welches unserer Kinder mehr Blicke auf sich zieht. Streunerin gegen verkabeltes Kind im XXL Buggy. Wir sorgen dafür, dass die Leute was zu gucken haben.

Was für ein schöner Tag. Wir laufen die ganze Strecke am Stück. Am Schluss picknicken wir auf einer wundervollen Blumenwiese. M. hat es gut gemacht, ist aber dankbar als wir ihn ins Auto packen uns nach Hause fahren.


Zubereitung einer parenteralen Nahrung 

1. Materialien zusammen stellen

2. Hände desinfizieren, Türen und Fenster schließen, Mundschutz anziehen und alles steril abwerfen

3. Medikamente aufziehen und dem Beutel zuspritzen

4. Überleitsystem mit dem Beutel verbinden

5. Leitungen entlüften und an den Port anschließen .

Nun tropfen diese 2 Liter aus Fett, Zucker, Vitaminen, Eiweiße und Spurenelementen über 24 Stunden in meinen Sohn. An 7 Tagen der Woche. Zuhause hat er immer den Infusionsständer neben sich. Unterwegs ist alles in einem Rucksack verstaut, den Junior dann bei sich hat. 

Ein M. ohne all die Kabel können wir uns nicht mehr vorstellen. Sie gehören einfach dazu. Auch ihn stören die Pumpen und Kabel gar nicht. 


Gedanken zu völlig verrückten Zeiten

Der corona Alltag ist herausfordernd für Arbeitnehmer, für Arbeitgeber und auch für Familien. Es ist anstrengend. Plötzlich sind die Eltern in der Rolle des Lehrers. Kindergarten Kinder wollen rund um die Uhr beschäftigt werden. Neben diesen Aufgaben werden die anfallenden Arbeiten im Haushalt nicht weniger.

Wie ich versuche die Bälle in der Luft zu halten habe ich bereits geschrieben. Täglich scheiterte ich an dem Versuch, gleichzeitig meinen beiden Schulkindern und meinem Pflegebedürftigen Sohn gerecht zu werden. Ich renne von dem einen Schulkind, das Schwierigkeiten hat 17-9 zu rechnen, zum anderen das an der Menge seiner Deutsch Aufgaben verzweifelt. Aus dem Babyfon, das an meinem Gürtel befestigt ist, tönt das weinen meines Sohnes. An manchen Tagen ist es anstrengend. An anderen schlicht nicht machbar. Ich renne und routiere um am Ende eines jeden Vormittags festzustellen dass es alles bisschen viel ist.

Gegen Mittag sind die Mädchen fertig mit ihren Schulaufgaben. Wir atmen alle einmal erleichtert tief durch, wenn der Punkt erreicht ist, an dem sie ihre Schulsachen ordentlich weg sortieren dürfen. Das ist mein Startschuss um das Frühstück endlich weg zu räumen und ein Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Mittagessen. Mittagspause und dann beginnt der schöne Teil des Tages. Nun zeigt sich die Sonnen Seite dieser verrückten Zeit. Wir sind mit einem großen Garten und viel Natur um uns herum reich beschenkt. Die Tür geht auf, die kids stürmen heraus. Auf uns warten freie Nachmittage. Kein Gerenne von der Musikschule zum Schwimmkurs. Kein Gefahre zur Freundin von der einen und der Verabredung der anderen. Wir sind ganz für uns und leben in die Nachmittage hinein. Wir planen nichts. Machen keine aufwendigen Aktionen. Mal bauen die Kinder am Baumhaus in der großen Tanne, mal verlieren sie sich im Spiel im Sandkasten. An manchen Tagen ist verstecken spielen dran, an anderen Tagen wird gematscht. Wir fahren mit dem Fahrrad in den Wald oder basteln etwas. An Regentagen wird gelesen, gepuzzelt und gespielt. Es ist so befreiend, ohne Uhr unterwegs zu sein. So wertvoll, auf die Bedürfnisse von jedem einzelnen eingehen zu können. Diese Nachmittage gleichen die vormittage wieder aus. Sie tun so gut. Während die großen vergnügt im Garten spielen, habe ich Zeit für M. Er macht enorme Fortschritte in der Sprache, er fängt sogar an zu zählen und Würfelzahlen zu erkennen. Er malt sein erstes Männchen und schaut sich viele Bücher an. Er hört zum ersten mal Hörspiele. Je nach Kraft pflanzt er mit mir Blumen ein, hilft mir beim Kochen und feuert mich beim Rasenmähen an. Er spielt mit den Mädchen, wie er es noch nie gemacht hat. Er füttert die Meerschweinchen und kocht Matsch Suppe. Er ist einfach dabei, mitten im Leben. Auch ihm kommen diese unverplanten Wochen extrem zu Gute. Er genießt die Ruhe. Er hat Zeit sich zu entfalten und entwickeln. Am frühen Abend müssen wir wieder nach der Uhr gehen. Infusionen richten, umstöpseln, Medikamente geben. Wenn M. Im Bett ist, habe ich Zeit für die großen. DIe Abende sind sehr viel entspannter als zu ' normalen' Zeiten. Es ist Zeit zum vorlesen, zum Erzählen oder auch mal zum spazieren gehen mit der großen. Wir beobachten wie die Sonne untergeht. Wir können den Tag mit einem Eis im Garten ausklingen lassen oder noch ein Spiel spielen. Die Abende genießen vorallem die Mädchen sehr.

Wenn dann alle Kinder im Bett sind, ist meine Zeit gekommen das nötigste im Haushalt zu erledigen. Ich Wirbel durch die Waschküche, Räume die Spuren des Tages auf und bereite den nächsten Tag vor. Immer wieder werde ich durch das Piepen der Infusions Pumpe unterbrochen. M. Schläft oft unruhig. Geplagt von Schmerzen und Übelkeit kommt er nicht zur Ruhe. Er braucht auch Nachts Medikamente. Es ist 3 Uhr während ich diese Zeilen schreibe. Ich habe noch nicht geschlafen. Gleich ist die letzte Infusion durch gelaufen. Mein Sohn scheint endlich zur Ruhe zu kommen. Ich halte seine Hand, lausche dem gleichmäßigen Geräusch der Infusions Pumpe. Ich beobachte die Tropfen die nach und nach in die Vene meines Sohnes tröpfeln. Hoffentlich schaffen sie ihm ein paar schmerzfreie Stunden . Ich bin müde als ich es um halb 4 in mein Bett schaffe.

Morgen früh geht es weiter. Um 7 Uhr gibt es Frühstück und die nächste Runde Schule mit meinen Mädchen. Oft schläft Junior vormittags nochmal. Wären die großen in der Schule, könnte ich mich dann mit ihm zusammen ausruhen. Doch dieser Luxus bleibt mir im Moment verwehrt. Ich renne weiter, erledige meine Jobs als Lehrerin, Pflegerin, Köchin, Haushälterin, Zuhörerin. Als Ehefrau und Mama. Ich möchte - und ich kann diese Zeit nicht idealisieren. Es ist anstrengend. Für mich Und für jeden an seinem Platz. Aber ich möchte dieser Zeit viel schönes abgewinnen. Ich habe mich bewusst dazu entschieden das Beste aus diesen Umständen herauszuholen. Ich bin mir bewusst, dass wir im Moment sehr viel geschenkte Familien zeit haben. Es ist meine Verantwortung diese Zeit schön zu füllen. Auch wenn ich müde und am Rande des leistbaren angelangt bin. Es ist an jedem Tag meine Entscheidung, was ich aus ihm mache. Ganz nach dem Motto 'Es ist wie es ist, aber es wird, was du daraus machst' ist es mein Ansporn , dass meine Kinder im Rückblick irgendwann mal sagen 'diese corona Monate waren völlig verrückt, aber auch wunderschön' 

 


Du weißt, dass du ein besonderes Kind hast, wenn...

... Mundschutz tragen und Hände desinfizieren für dich gar nichts neues ist. 

... Auch deine Kinder das Mundschutz tragen als völlig normal empfinden 

... Du gebrauchte Nadeln der Nähmaschine im Kanülen Abwurf am sterilen Arbeitsplatz entsorgt 

... Du beim Vermieter der Ferienwohnung nach einem zusätzlichen Kühlschrank für all die Infusionen fragst. 

... Du der Kinderärztin erklären kannst, wie ein Betäubungsmittel Rezept auszustellen ist. 

... Dein Kind jeden Tag Medikamente bekommt, die unter das Betäubungsmittel Gesetz fallen

... Du allzweck Reiniger und Putzlappen im Zimmer deines Sohnes lagerst, um tägliche Katastrophen (Erbrechen, diskontektierter Ablaufbeutel etc) schnell beheben zu können 

 

 

... Du das Ergebnis eines urin sticks interpretieren kannst, ohne es an die Kontrollfelder auf der Verpackung zu halten.

... Du dich freust wie ein Kaiser, dass dein fünf jähriger Sohn endlich bauklötzchen übereinander stapelt

... Du regelmäßig solche Berge an Kartons zu entsorgen hast. Die Apotheke schickt jede Woche mehrerer Kartons mit Infusionen, medizinisches Material, Medikamenten, Windeln usw.


Die Untersuchung

Das Untersuchungszimmer in der Kinderklinik ist der Raum, den ich am wenigsten mag. Ein schlichter Raum mit hohem Schrank, beschriftet mit 'Kanülen' 'Sonden' und vieles mehr. In der Mitte des kleinen Raumes steht eine Liege. Über der Liege baumelt ein in die Jahre gekommene Mobile. Eine Waage und eine Messlatte machen den Raum komplett. Hier werden Zugänge gelegt, Blut abgenommen, Sonden gelegt, Wunden versorgt. All die Dinge, die ein Kind am besten gar nicht erleben sollte. Ich mag diesen Raum nicht. Er weckt ungute Gefühle in mir. Erinnert mich an vergangene, unschöne Situationen, die mich teils an den Rand der Verzweiflung brachten. Dies ist der Ort, an dem mein Sohn von fremden Erwachsenen festgehalten wird, damit ein Arzt die zarte Vene punktieren kann. Der Ort, an dem ihm gegen seinen Willen Sonden und Katheter gelegt werden. Es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke.

Doch Junior lässt sich von all dem erlebten nicht beeindrucken. Fröhlich singend betritt er dieses Zimmer. Er kichert als die Krankenschwester ihn begrüßt, lässt sich von ihr kitzeln und kitzelt zurück. Er schwingt sein imaginäres Seil und fängt die Schülerin ein. 'fesselt sie!' ruft er unbeschwert und lacht fröhlich bei der Vorstellung. Der Arzt betritt den Raum. M. Begrüßt ihn gut gelaunt . Während der Arzt sich mit mir unterhält lacht und gluckst M. fröhlich. Der Arzt fragt, warum M. So fröhlich ist. Die Krankenschwester antwortet, dass wir sicherlich Lachpulver oder gute Launegel in seine Infusionen mischen. M. lacht, als hätte er den Joke verstanden. Das ist mein Sohn. So kenne ich ihn, wenn er keine Schmerzen hat, keine Übelkeit, wenn er nicht krampft und nicht im Unterzucker ist. Das ist mein Sohn. Fröhlich, frei, glücklich. Sein Lachen ist nicht zu bremsen. Seine gute Laune Alltag.

Dabei weiß er, dass dieser Arzt ihn gleich stechen wird. Und er sticht. Einmal. Noch einmal und ein drittes Mal. Jedes Mal gehen die Gefäße kaputt. M. weint verzweifelt. Er ruft 'aufhören!'. Er wird nicht gehört. Er wird festgehalten und gestochen. Pause. Der Arzt holt eine andere Ärztin dazu. M. ist auf meinem Arm. Drückt sich fest an mich. Er beruhigt sich schnell. Die Ärztin kommt. Sie kann gut stechen. M. grinst sie an, packt sie am Ärmel und sagt 'hab dich'. Er lacht vergnügt und hält seine Beute ganz fest. Obwohl er genau weiß was kommt, steckt er aufs Neue alle mit seiner Fröhlichkeit an. Die Ärztin inspiziert seine Hände und Füße nach möglichen Stellen zum stechen. M. albert weiter, lacht und versprüht gute Laune. Das schlägt sofort um, als er wieder festgehalten und gestochen wird. 'bitte lass das!' ruft er. Doch keiner reagiert. Auch diese Ärztin sticht mehrfach. Sie trifft die Gefäße gut. Doch beim punktieren gehen sie kaputt. Immer und immer wieder. M. weint und fleht sie an, aufzuhören. Sie gibt auf. Es geht nicht. Heute wird es keinen Zugang geben.

Ich ziehe meinen Sohn an, packe ihn in den Buggy. Erschöpft ist er,ich auch. Nichts wie raus hier! Noch bevor ich mich nochmal umdrehe um mich zu verabschieden ist mein Sohn wieder fröhlich. Wie macht er das? Ich bin froh, diesen Raum zu verlassen.

Als am Nächsten Tag eine junge Pflegeschülerin kommt und sagt 'M. Darf in die Untersuchung kommen' zieht sich in mir alles zusammen. Schwer ist der Weg dorthin. Für mich. Junior ist frei und unbeschwert. Fast naiv. Dabei weiß er, was in der Untersuchung passiert. Alles geht von vorne los.

Ich mag diesen Raum nicht. Gar nicht. Und immer wieder neu staune ich über meinen Sohn. Wie schafft er es, die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit beizubehalten? Lachend und strahlend geht er durch sein turbolentes Leben. Er steckt die Leute an mit seiner guten Laune, bringt das Personal im getakteten Klinik Alltag zum Lachen. Er verzeiht den Menschen die ihm weh tun schnell. Unbekümmert betritt er jedes Mal aufs Neue diesen Raum. Die Untersuchung.


Klinik zu Corona Zeiten

 Wir wissen, wie Klinik funktioniert. Fast die Hälfte seines Lebens war Junior in irgendwelchen Kinderkliniken. Wir kennen die Abläufe. Wir kennen die Ärzte, Pfleger, Therapeuten, den Pförtner. Wir kennen die anderen Familien mit chronisch kranken Kindern, man trifft sich hier immer wieder. Wir sind dankbar für die Erzieherinnen. Sie unterstützen wo sie können. Sie versorgen die Kinder mit Spielsachen und immer wieder neuen Ideen. Sie ermöglichen es den Eltern mal in Ruhe zu duschen oder spazieren zu gehen. Junior kennt sie sehr gut, er liebt sie. Gern bleibt er mal für eine Stunde bei ihr. Wir wissen, was in die Klinik Tasche muss, dass es an nichts fehlt.

Der Ausnahme Zustand durch die Corona Pandemie hat die Kliniken voll im Griff.

Begrüßt werden wir nicht durch den netten Pförtner sondern von einem streng schauenden security Mann. Ihm müssen wir sagen, wer wir sind und wo wir hin wollen. Die Daten gleicht er ab. Er findet M. im Terminplan und lässt und rein. Phu erste Hürde geschafft. Hinter der großen Tür wartet ein weiterer sicherheitsmann auf uns. Er weist uns einer Pflegeperson zu. Diese misst Temperatur bei junior und mir. Außerdem wird die Sauerstoffsättigung im Blut überprüft und wir müssen viele Fragen beantworten? Haben wir Fieber, Husten, Schnupfen? Hatten wir Kontakt zu einem corona Patienten usw. Wir können alles mit nein albeantworten. Geschaffta. Wir bekommen Mundschutz und einen Passierschein. Mit dem dürfen wir von hier (Eingang) zum Ziel (Station). Umwege sind nicht erlaubt. Unterwegs werden wir an mehreren Abzweigungen kontrolliert. Ich würde mir gerne noch einen Kaffee aus dem Automaten der eh auf meinem Weg liegt lassen. Dass die Cafeteria geschlossen ist weiß ich. Ein Sicherheits Mann schaut mich verständnislos und verärgert an als ich ihn nach Kaffee frage. Den Automaten gibt es nicht mehr und ich solle jetzt auf aller schnellsten Weg zu meinem Ziel. Klar. Nichts wie weg. Auf Station angekommen sticht mir als erstes ein Hinweis Schild ins Auge 'Besuch verboten!' Einsame Tage stehen uns bevor. Die Türen des Spielzimmers sind verschlossen. Die Erzieherinnnen kümmern sich nun um die Kinder des Klinik Personals in der Klinikinternen Notbetreuung. Es ist erwünscht, dass die kinder samt ihrer Begleitperson im Zimmer bleiben. Unterhaltungen im Flur sind nicht gestattet. Ich kann all die Maßnahmen verstehen. Dennoch macht es die Zeit, die ich mit Junior hier sein muss noch viel schwerer. Ich versuche ihn zu beschäftigen, zu bespaßen, abzulenken. Doch die Tage im Zimmer sind lang. Die Stationen sind gespenstisch leer. Viele planbare Termine werden verlegt.Wie gut, dass nur ein kürzerer Aufenthalt geplant ist. Hoffentlich hält junior sich an den Plan!


Angeln

M. ist in seiner Entwicklung stark verzögert. So hat er mit fünf Jahren immernoch keine eigenen Spielideen. Er braucht immer Anregung und Anleitung. Das Rollenspiel hat er noch nicht für sich entdeckt. Manchmal stecken seine Schwestern ihn in ein Prinzessinnen Kleid oder eine Feuerwehr Uniform. Er kann sich aber nicht mit den Rollen identifizieren. Abstraktes denken, Phantasien entwickeln kann er noch nicht.

Ich mache mit meinen drei Kindern ein Spaziergang zum nächsten Bäcker. Wir brauchen Brot fürs Abendessen. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem hübsch gepflegten Vorgarten mit einem Goldfisch Teich vorbei. Da können wir nicht einfach dran vorbei laufen. Wir müssen die Fische anschauen. Wie immer wenn wir hier vorbei kommen. Wir kennen die Fische mittlerweile gut. Die Mädels kontrollieren, ob alle da sind. Da ist der große fette orangene. Oder der große weiße. Es gibt ganz viele kleine Fische. Der eine hat schwarze Punkte, ein anderer ist weiß gestreift. Manchmal treibt ein toter Fisch an der Oberfläche. Immer wieder stehen wir hier. Überlegen uns, warum Fische so schöne Farben haben? Wie sie es schaffen unter Wasser zu atmen? Was sie fressen und ob sie wohl Zähne haben? Frieren sie nicht? Und warum treiben sie an der Oberfläche wenn sie gestorben sind? Es gibt immer wieder unendlich vieles zu besprechen. Junior sitzt dabei meistens eher unbeteiligt in seinem Buggy und wartet geduldig bis es weiter geht. Dieses mal möchte er aus dem Buggy aussteigen und auch die Fische anschauen. Da stehen nun die drei über die Brüstung zum Teich gelehnt und bestaunen und philosophieren.

Plötzlich macht M. eine ausholende Armbewegung. Er verkündet sicher 'ich angeln' die imaginäre Angelrute fest in seiner kleinen Hand wartet er bis endlich ein Fisch anbeist. Ich bin erstaunt. Hat er sich gerade ein Spiel ausgedacht, etwas was er nicht sieht, etwas imaginäres? Ich bin beeindruckt, freue mich über diese Entwicklung und lasse ihn in Ruhe spielen. Die Mädels sind begeistert von seiner Idee. Die große ruft 'M. da hat einer angebissen! Zieh ihn schnell hoch!' junior zieht die unsichtbare Angel hoch. Die mittlere ruft 'wow! Der größte orangene! Kommt wir packen ihn in M. Rucksack (in dem er die sterilen Infusionen transportiert)' ich frage Junior was er mit dem Fisch machen möchte. Er sagt laut 'grillen!' aha, und dann? 'essen' sagt er. Ich lache. Bin begeistert, was für tolle Ideen mein Sohn entwickeln kann. Die Kinder schmeißen die Angel wieder aus. Sie ziehen einen Fisch nach dem nächsten aus diesem kleinen Gartenteich. Sie bestaunen die Fische. Sie stellen sich vor, wie knusprig man sie braten kann und packen sie in den Rucksack.

Meine Euphorie ist nicht zu Bremsen. Mein Sohn hatte eine Spielidee und seine Schwestern finden die Idee gut und spielen mit! Sie spielen zu dritt! Junior ist nicht der kleine nervige Bruder. Er ist der Chef in diesem Moment. Auf diesen Moment musste ich über fünf Jahre warten. Ich bin überwältigt. Stolz. Glücklich.

Plötzlich geht im ersten Obergeschoss des Wohnhauses ein Fenster auf. Eine ältere Dame schaut irritiert und ein bisschen verärgert aus dem Fenster auf meine drei Angler. Ich grüße sie freundlich, möchte ihr zurufen was für tolle Ideen mein Sohn hatte. Dass er der Initiator dieses Spieles ist. Wie stolz ich auf ihn bin, dass er imaginär angelt und sich vorstellt diese Fische zu grillen. Was für ein schlauer Junge er ist! Da wird meine Euphorie von ihrem Blick jäh gebremst . Sie findet dieses Spiel gar nicht so toll. Es sind doch ihre Fische. Ihr Aushängeschild für einen top gepflegten Vorgarten. Ich ziehe meine Kinder von dem Geländer weg, sage ihnen dass wir jetzt weiter müssen. Junior zieht ein letztes mal die Angel hoch. Die große jubelt 'prima jetzt haben wir alle großen Fische im Rucksack. Das wird ein Festmahl!' Ich blicke hoch zum Fenster wo die Frau mit zusamm gepressten Lippen steht. Ich entschuldige mich, sage dass alles nur ein Spiel war. Ich packe Junior in seinen Buggy und gehe mit drei gut gelaunten Kindern zügig um die nächste Ecke. Wir kaufen Brot fürs Abendessen und machen uns auf den Rückweg. Ich wähle eine andere Route. Für heute habe ich genug von Fischen.

Zuhause ist Junior müde. Seine Beine tun ihm weh von dem langen Stehen. Er brauchte eine Pause. Ich möchte mit ihm rein gehen, während die großen noch im Garten spielen dürfen. Junior protestiert. Er möchte draußen bleiben. Ich frage, was er denn noch vor hat. Er sagt 'Fische grillen.' Die Freude in mir wächst und wächst. Er weiß noch, dass in seinem Rucksack Fische sind die er grillen möchte! Wow! Was für ein unglaublich kluges Kind. Er hat einen weiteren Entwicklungs Schritt geschafft. Ab jetzt kann er sich Sachen ausdenken, der Phantasie freien Lauf lassen. Was für ein Meilenstein. Er kann ganz anders mit anderen Kindern spielen. Versteht die Rollenspiele seiner Schwestern besser. Stolz erzähle ich meinem Mann von den Fischen und unserem so klugen Sohn. Wir lachen beide herzlich.

Während ich diese Zeilen schreibe sitze ich am Bett meines Sohnes. Es ist ruhig im Haus. Nur Junior ist wach, er hat Schmerzen, braucht starke Schmerzmittel. Ich hänge Infusionen mit Morphium an, warte bis die Spülung durch ist. Ich halte seine Hand streichle seine kaltschweißige Stirn und hoffe, dass auch er bald zur Ruhe kommt und von den Fischen auf dem Grill träumen kann.

Das ist mein Alltag. Schmerzen. Infusionen. Bimmelnde Monitore und Pumpen. Wie schön, dass dieser sehr besondere Alltag auch durchbrochen wird von solch besonders herrlichen, unbeschwerten Fisch Momenten.


Geht nicht? Gibt's nicht! Teil 2

Wunderschönes frühlings Wetter. Was gibt es da schöneres als eine Fahrrad Tour?!

Das geht nicht mit einem Kind, das schon beim Laufen Schwierigkeiten hat sein Gleichgewicht zu halten. Es geht nicht mit einem Kind, das schnell erschöpft ist und Defizite in der Koordination hat. Sowieso, wohin mit all den Kabeln und Schläuchen? Eine Fahrrad Tour - geht nicht. Oder? Geht nicht? Gibt's nicht! Und was nicht passt, wird passend gemacht!

Warum sollten wir unserem Sohn die schönen Erlebnisse eine Radtour vorenthalten? Wir wollen ihn nicht einfach nur dabei haben. Er soll mittendrin sein. Wir mussten ein bisschen suchen, bis wir gefunden haben, was wir uns vorstellten. Eine Art Liegefahhrrad, dreirädrig. Absolut kippsicher. Es lässt sich an unser Fahrrad ankuppeln. Junior wird gezogen, hat trotzdem die Möglichkeit mit zu pedalieren. Wenn er nicht mehr kann, lehnt er sich im gemütlichen Sitz zurück. Es gibt sogar eine liegeposition für ihn. Mit diesem Gespann können wir als ganze Familie Touren fahren. Wir fahren durch den Wald, auf schönen Fahrradwegen, durch die Felder. Zwischendrin gibt es eine Pause. Die Mädels klettern auf Bäume. M. freut sich an den Pusteblumen. Fast wie bei ganz normalen Familien. Nur die Kabel müssen stets gut verstaut werden. Ich kontrolliere noch schnell, ob die Sonde gut abläuft. Dann geht es weiter. Fröhlich kichernd und mit der Fahrradklingel klingelnd lässt er sich nach Hause ziehen.Müde ist er nach einer Tour. Die vielen Eindrücke, holprigen Wege, hin und wieder pedalieren. Das kostet Kraft. Nach einer extra Gabe Schmerzmittel, dennoch glücklich, weil er auch ein Fahrrad hat und dabei sein kann, schläft er zuhause ein.

Ein schöner Tag. Klar folgen uns Blicke und Kommentare. Wer uns von vorne sieht findet das Gefährt 'cool'. Aber könnte dieses Kind nicht selbst fahren? Wer uns von hinten sieht, mit all den überlebenswichtigen Kabeln an diesem kleinen Kind, schaut mitleidig weg. Alle Kommentare, alle Blicke, alles Mitleid nehme ich wahr. Doch es macht mir schon lange nichts mehr aus. Dankbar bin ich für jede Möglichkeit, als ganze Familie Zeit zu verbringen.