Kostbarer Moment

Mein lieber Piepmatz Heute war so besonders. Ich Sprudel immernoch fast über vor Glück.

Dir ging es nicht gut. Der Husten plagt immernoch. Da war die Übelkeit und du wolltest einfach nur im Bett bleiben.

Das ist okay für mich.

Doch höre ich draußen deine drei Geschwister. Sie spielen fröhlich. Der Hund liegt in der Sonne und die Meerschweinchen genießen die saftige Wiese.

Es ist so unfassbar schön hier bei uns in unserem großen Garten.

Ich spüre die Traurigkeit in mir, dass du das verpasst. Dass du nicht dabei sein kannst.

Ich beschließe, alles zu tun, um dich heute für einen Moment mobilisiert zu bekommen.

Ich gebe dir etwas gegen Schmerzen und gegen die Übelkeit. Ich ziehe alles Sekret aus deinem Magen ab. Ich ziehe dich warm an. Zwei Hosen. Ein dicker Pulli. Jacke, Mütze, winterstiefel

Und dann wage ich es. Unter Protest trage ich dich nach draußen. Ich bringe dich zum Sandkasten, wo deine Schwestern gerade am Hochzeitstorte backen sind.

Und dann lässt du dich darauf ein. Du möchtest Bauarbeiter sein. Du verlangst nach deinem Bauhelm und der Warnweste.

Plötzlich wird die Mühsam verzierte Hochzeitstorte zu einer Großbaustelle.

Für deine Schwestern okay. Die schwenken kurzerhand um - vom Konditor zur Abrissbirne.

Und ihr spielt! Zu dritt! Das Baby schaut zu. Draußen! Im Sand!!!

Das klingt so banal. So normal. Doch für dich ist es etwas ganz besonderes. Das gab es seit Monaten nicht mehr!

Alle sind sich der zerbrechlichkeit des Moments bewusst. Alle genießen und saugen das Glück des Augenblicks auf.

Nicht lange dann ist deine Kraft erschöpft und du weinst nur noch. Ich bringe dich zurück ins Bett. Du bist so verzweifelt weil dein Körper dir so enge Grenzen setzt.

Du bist ganz blass. Tief erschöpft. Du weinst und ich frage mich, ob ich dir zu viel zugemutet habe. War es das wert?

Ja!

Sind doch das die Momente, die das Leben lebenswert machen! Momente voller Glück. Voller Liebe. Kostbarer als Gold. Erinnerungen.

Ich wünsche mir mehr davon. Und weiß doch, dass sie gezählt sind.

Ich bin so stolz auf Dich! So glücklich, so dankbar Deine Mama zu sein!


Problemlöser

Sein Alltag wurde zunehmend eingeschränkt. Ihm fehlt immer öfter die Kraft, das Bett zu verlassen. Tagelang verbringt er dort liegend. Ohne Perspektiven Wechsel. Ohne teilhaben am Familienleben.

Der Frust wirdgroß. Sein Frust. Mein Frust.

Es muss doch etwas geben, was mehr Lebensqualität schaffen kann.

Problem : Unsere Flure und Türen sind zu schmal für herkömmliche Liegen mit Rädern.

Wir wenden uns an unseren orthopädie Techniker. Er hört sich unseren Bedarf an. Und er fängt sofort an unsere Gedanken in die Tat umzusetzen.

Er nimmt Juniors Maße in seiner liebsten liege position und baut innerhalb eines Tages (!) eine individuell angepasste liegeschale in Juniors "schnuffel position"

Er arbeitet mit einem ganz weichen Schaumstoff, dass Junior es schön weich hat.

Die Maße sind gerade so, dass wir ganz genau durch unsere Flure und Türen kommen. Von seinem Zimmer bis zum Esstisch.

Er fragt meinen Sohn , ob er noch Wünsche hat.

"rot muss es werden und ein Joystick zum Gas geben muss dran sein"

Der orthopädie Techniker grinst.

Wieder kurz später presentiert er uns sein fertiges Werk.

Die neue Liegeschale ist rot. Mit Feuerwehr Aufnähern. Sie ist super weich. Hat eine Halterung für seine Ablaufbeutel- und es gibt einen Joystick, der sich in alle Richtungen bewegen lässt und Juniors Feuerwehr-Rennfahrer Herz höher schlagen lässt!

Er kommt wieder gerne aus dem Bett.

Er liegt mit seinem "Rennauto" auf dem Balkon und schaut der Baustelle zu.

Er ist mit in der Küche, wenn ich koche und am Esstisch.

wenn Nachts das Atmen schwer fällty liegt er an der offenen Balkon Tür.

Er hat so viel Freude mit diesem Joystick. "Gas geben, lenken und bremsen". Ein lustiges Spiel wurde daraus. Wir schieben die Liegeschale immer genau nach seinen Anweisungen.

Junior ist glücklich. Ich bin glücklich.

Und ich bin gerührt. Dieses Projekt war für den orthopädie Techniker mehr als dieses, mehr als ein Projekt. Es war eine Herzensangelegenheit. Vielen vielen lieben Dank an @kempaundbeu

orthopädie Techniker mit Herz, kreativität und handwerklicher Präzision! Ihr seid spitze!


Meine großen Mädels

Sie spielen im Garten, Meine großen Mädels. Mit ihren schleich Pferden. Mit den Meerschweinchen. Der Hund ist auch dabei. Die Sonne scheint. Sie wirken so frei. So fröhlich. Gelöst von allen Sorgen. Sie können durch und durch Kind sein.

Meine großen Mädels.

Sie lachen. Und rennen. Sie bauen riesige Pferde koppeln für die Plastiktiere. Klettern auf die große Tanne im Garten. Ein so schöner Bullerbü Nachmittag

Für meine Mädels.

Am Abendessen kommen wir alle zusammen. Alle glücklich. Alle entspannt.

Da werden seine Augen rot. Tränen Rollen über seine Wangen. Seine Arme fallen seitlich am Rolli herunter. Er ist blass. Die Pupillen winzig klein. Die Augen zittern. Der Mund schmatzt. Er reagiert nicht auf Ansprache. Nicht auf Schmerzreize. Er krampft. Mein lieber Sohn. Wir haben Routine. Ich schließe ihn an den Herz Atem Monitor an. Versuche die entspannte Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Er ist stabil. Ich warte zu. Wir essen weiter. Er krampft.

Plötzlich hört er auf zu atmen. Der Monitor schrillt, die Sauerstoff Sättigung im Blut sinkt und sinkt. Ich renne. Notfall Medikament. Sauerstoff. Hektik. Angst.

Sie essen weiter. Meine großen Mädels.

Sie kennen das. Er stabilisiert sich, schläft ein. Meine Nerven liegen blank.

Auch sie leben die Gleichzeitigkeiten. Der schöne Bullerbü Mittag ist nur einen Wimpernschlag weit entfernt von der nächsten Katastrophe. Fröhliches spielen und tiefe Angst nebeneinander. Nackige Füße in der warmen Herbstsonne und alarmierende Monitore am selben Ort. Lachen und klettern in der einen Minute, der Bedarf von Midazolam und Tavor in der nächsten.

Auch sie leben in dieser Ausnahme, die unser Alltag ist. Auch sie sind nie sicher, was als nächstes kommt. Auch sie leben diesen ganz besonderen Alltag mit ganz besonderem Bruder.

Auch sie, meine großen Mädels.

Und ich höre nicht auf, mein bestes zu geben, dass es Ihnen gut geht. So gut, wie irgendwie möglich. Ich bin unfassbar stolz auf sie-

Auf meine großen Mädels.


Glück

Sein Glück ist es, abends am Familien Esstisch dabei zu sein.

Nicht alleine im Bett, wenn die ganze Familie zusammen kommt.

 

Essen kann er lange nicht mehr.

Sitzen wird zunehmend schwierig.

 

Wir haben einen Liegeplatz für ihn eingerichtet. Er kann sich gemütlich einkuscheln und so dabei sein.

 

Er isst nicht.

 Er hat die Rolle des Verkäufers.

 

Brot, Wurst, Käse Butter und Gemüse stehen in seiner Reichweite.

Wer etwas essen möchte, bestellt bei ihm.

 

Er schmeißt Brotscheiben wie eine Frisbee Scheibe über den Tisch.

Käse und Wurst reicht er aufgespiest auf einer Gabel.

Wenn die Kraft reicht.

 

Natürlich muss jeder Esser etwas bezahlen.

"dreißigsiebzig Euro"

 

Das Geld fliegt fiktiv über den Tisch. Er fängt es auf und bucht dafür eine Reise nach "Bella Italia"

 

Wer etwas nimmt, ohne zu bestellen, ohne zu bezahlen bekommt einen Strafzettel "dreißigsiebzigneunzighundert Euro" Strafe fallen an.

 

Unsere Abendessen sind zur Zeit voller Leben. Voller Lachen. Voller Spaß.

 

Er hat so witzige Ideen. So viel Fröhlichkeit in sich.

 

Er steckt uns alle damit an.

 

Könnte ich diese Zeit nur einfrieren. 

Könnte ich sie anhalten, für immer in dieser fröhlich kindlichen Welt verharren und fliegende Brote einfangen.

Könnte ich nur für den Rest meines Lebens Strafzettel am Abendbrot Tisch einsammeln und bettelarm dabei werden-

 

Wenn er nur für immer bei uns bleiben dürfte.

 

Heute wird es mir schwer bei all dem bunt fröhlichen treiben an unserem Abendbrot Tisch.

 

Und heute entscheide ich mich neu, mich nicht von der Schwere erdrückend zu lassen.

Entscheide mich neu, den Moment als Geschenk anzunehmen. Den Tagen mehr Leben zu geben. Bewusst zu leben. Und  zu lieben.

Dankbarkeit. LIEBE. 

Glück. 


Fotos.

 Heute sortiere ich Fotos. Ich klebe für jedes meiner Kinder ein Foto Album. Heute möchte ich endlich mal wieder alle Alben ganz aktuell bekommen.

Als ich bei den Fotos meines Sohnes ankomme fange ich an zu blättern.

Da lacht mich ein Baby mit Sauerstoff Brille an. Die Lunge war seine erste große Baustelle. Das hatten wir gut im Griff, als wir die Ursache kannten und behandeln konnten.

Was dann folgt treibt mir Tränen in die Augen.

Ein Kleinkind ohne Kabel. Ohne Schläuche.

Ein laufendes Kleinkind. Ein fröhliches Kleinkind auf der Schaukel. Auf der Wippe.

Ein Bild auf dem der kleine Junge Fußball spielt. Und eines auf dem er mit einer Wasserspritzpistole durch den Garten rennt.

Dieser kleiner süße Junge balanciert auf der sandkasten Umrandung - und er isst!

Er isst Eis. Und Nudeln. Linsen, Suppe und Brot.

Dieser kleine Junge ist zweieinhalb Jahre alt.

Dass er nicht spricht und kognitiv weit hinter gleichaltrigen hängt verraten diese Fotos nicht. Sie zeigen einen scheinbar gesunden, fitten, fröhlichen, ganz normalen kleinen Jungen.

Ich blättere weiter im Fotoalbum meines Sohnes.

Bald folgt ein Kind mit einer Magensonden durch die Nase , die im Gesicht festgeklebt ist. Essen kann dieser kleine Junge nicht mehr.

Noch ein paar Seiten weiter ist auf jedem Bild auch immer der reha buggy zu sehen. Das Laufen wird immer wackeliger. Immer anstrengender für den dreijährigen Jungen auf diesen Fotos.

Dennoch lässt er sich die Freude nicht nehmen. Er strahlt immer. Er ist immer unterwegs.

Ich blättere weiter. Es folgen unzählige Fotos aus der Kinderklinik. Es werden immer mehr Schläuche und Kabel an diesem kind. Immer öfter ist es nur noch sitzend im Buggy zu sehen.

Dann der Rollstuhl. Er läuft nicht mehr.

Heute klebe ich Fotos von diesem süßen Kind, es ist mittlerweile sieben Jahre alt und schreibe dazu

"Du bist die meiste Zeit des Tages nur noch im Bett. Oft ist es dir zu laut. Zu viel. Zu anstrengend."

Auf dem Foto sind Schläuche und Kabel, Pumpen und Monitore zu sehen. Sie sichern sein überleben.

Es ist Kaum etwas übrig von dem Jungen, der um den Sandkasten balanciert.

Nur das eine : sein fröhliches Lachen.


Besonderer Adventskranz

Er liebt Weihnachten. Klar, wie jedes Kind.

Seit der Hochsommer vorbei ist und die Tage kürzer werden spricht er viel von Weihnachten.

Er überlegt sich Wünsche.

Versucht die Tage zu zählen.

Er plant das Weihnachtsessen- es soll Pizza mit Pommes geben.

Er fragt, wann wir den Adventskranz machen. Ich sage, das hat noch Zeit. Er wirkt nachdenklich und sagt "Ich weiß nicht ob ich dann noch helfen kann"

Phu das sitzt. Millionen spitze Pfeile mitten in mein Herz. Tränen schießen mir sofort in die Augen.

Warum sagt er das?? Ist er weitsichtiger als ich? Realistischer und reflektierter? Wird er Anfang Dezember nicht mehr helfen können, einen Adventskranz zu binden? Oder haben seine Worte gar nichts zu heißen?

Ich möchte drüber weg gehen, es gelingt mir nicht.

Er liebt den Adventskranz. Und das gemeinschaftliche gestalten. Was wenn er recht hat?

Wir beschließen, jetzt einen Adventskranz zu machen. Einen großen. Eine Kerze für jeden Tag, bis Weihnachten. Die Materialien habe ich fast beieinander. Am 24.10. Wollen wir anfangen, jeden Tag ein Licht mehr zu entzünden.

Ein ganz besonderer Adventskranz, in dieser ganz besonderen Zeit hier bei uns.

ich wünsche mir nichts mehr, als dass er bis Weihnachten an jedem Tag genug Kraft hat um eine weitere Kerze zum leuchten zu bringen. Dass wir Weihnachten zu Sechst feiern dürfen

Ein Kranz. 56 Kerzen und eine ganz besondere Geschichte dahinter


Besuch

Heute besucht uns spontan eine langjährige Freundin. Sie hat Kinder im selben Alter. Sie ist seit Jahren eine wichtige Stütze. Emotional und ganz praktisch kann ich mich auf sie verlassen.

Sie kennt mich. Uns. meinen Sohn.

Sie kennt ihn von Geburt an. Sie kennt all die Schwierigkeiten des ersten Lebensjahres.

Sie kennt ihn noch laufend und fröhlich tanzend.

Sie kennt seine Krankengeschichte.

Sie kennt unser ringen. Unser weinen. Unseren Umgang mit allem.

Sie kennt den Weg zur Diagnose.

Sie kennt unsere tiefsten Täler.

Sie kennt seinen Zerfall.

Wenn es ihm gut genug geht, nehmen wir ihn mit raus in den Garten. Das kennt die gute Freundin auch.

Heute kommt sie unangekündigt.

Ich freue mich total. Sie kommt mitten rein in meinen Alltag.

Junior geht es gut, aus dem Bett schafft er es heute nicht. Er freut sich über den Besuch, bleibt aber eingekuschelt und liegend im Bett. Er unterhält sich mit ihr. Erzählt ein bisschen. Und er bekommt ein Geschenk von ihr.

Mittendrin das Baby. Sie turnt durchs Zimmer. Unter seinem Pflegebett und zwischen seinen Infusionsleitungen.

Ich kümmere mich um sie. Wickel sie und ziehe sie um.

Ich reagiere auf die piepende Infusionspumpe, sichere seine Versorgung routiniert nebenher.

Mein Alltag.

Abends schreibt sie mir, wie bewegt und berührt sie Ist-von meinem Alltag. Von dem Kinderzimmer, in dem die Pflege im Vordergrund steht, in dem aber auch liebevolle spielecken eingerichtet sind.

Berührt von der Tatsache wie die Versorgung des Babys und die des schwerstkranken Bruders völlig selbstverständlich nebeneinander her laufen.

Bewegt von der schwere seiner Krankheit und die große Freude die ihn ihm wohnt.

Und ich mittendrin.

Das ist mein Alltag.

All diese gleichzeitigkeiten. Alles ist immer.

Sie kommt heute mitten rein in meinen Alltag Sie sieht, was ich seit Monaten erzähle. Spürt, was sie sich nicht vorstellen konnte - all die gleichzeitigkeiten. Auf Augenhöhe in meine Welt.

Ihre Rückmeldung ist wertvoll für mich. Macht mir neu klar, in was für einem Ausnahmezustand wir leben. Wie unnormal unsere Normalität ist. Unvorstellbar, wenn man es nicht selbst miterlebt.

Gleichzeitig verwundert mich ihre tiefe Betroffenheit. Heute ging es ihm gut. Mir ging es gut. Die Katastrophe im alltäglichen sehe ich nicht mehr. 

Ich bin dankbar, dass sie da war. In meinem Alltag.


Heute vor einem Jahr

Heute vor einem Jahr warst du einen ganzen Tag ohne uns. Ohne Mama. Ohne Papa.

Der Pflegedienst war da.

Du bist morgens aufgewacht, ohne mich. Du hast gespielt. Und gelacht. Ohne mich. Du hast gebadet. Ohne mich.

Es ging dir gut.

Der Pflegedienst hat gut auf dich aufgepasst.

Zum Mittagschlaf bist du ohne einen Kuss von mir eingeschlafen. Als du aufwachtest war ich nicht da. Am Nachmittag hast du Bücher angeschaut und die Sonne genossen.

Zur Übergabe vom früh - an den spät Dienst war ich nicht da.

Du bekamst Medikamente und frische Verbände. Deine Infusionen liefen - ganz ohne mich.

Du gingst Abends ins Bett, ohne dass ich Dich fest gedrückt habe. Ohne einen Kuss von mir.

Der Nachtdienst kam, und ich war nicht da.

Heute vor einem Jahr warst du zum ersten Mal in deinem ganzen Leben - und zum letzten mal- einen ganzen Tag ohne mich. Ohne Papa.

Deine kleine Schwester ließ auf sich warten.

Im Gedanken war ich immer bei dir. Ob der Pflegedienst an alles gedacht hat? Ob du warm und gemütlich ins Bett eingekuschelt bist? Ob du ohne Angst einschlafen kannst?

So schnell es ging kamen wir wieder zu dir. Als deine Schwester sechs Stunden alt war machten wir uns auf den Weg zu dir.

Heute vor einem Jahr.

um 4 Uhr morgens waren wir wieder zuhause. Wo wir hingehören. Wo du hin gehörst. Und nun auch deine kleine Schwester.

Sie haben wir dir mitgebracht. Um 4 Uhr hast du sie begrüßt. Bestaunt. Geküsst und gestreichelt.

Ab jetzt bist du groser Bruder! Nun schon ein Jahr.

Heute durften wir ihren Geburtstag feiern. Alle zusammen. Du und wir und sie.

Heute Danke ich Gott für meine Kinder. Für die großen Mädels. Für dich. Für das Geburtstagskind. Dafür, dass du noch bei uns bist.

Ich bin so reich beschenkt. Und ich verspreche dir, so gut wie ich kann an jedem Tag auf dich aufzupassen.

Ich bin da. Ich bleibe da.

Ich lasse Dich nicht mehr alleine.

Deine Mama


Geburtstag

Heute bereite ich den ersten Geburtstag von unserm Nachzügler Baby vor.

Wahnsinn! Ein Jahr lang ist sie nun schon bei uns.

So lange haben wir um sie gerungen. Auf Sie gewartet.

Und jetzt liegt ein Jahr Baby Alltag hinter uns. Ich bereue nicht einen einzigen Tag.

Wie schön, dass sie da ist. Wie schön, dass mein Sohn großer Bruder ist. Wie schön, dass wir den Mut zum vierten kind hatten, Wie viel ärmer wären wir ohne sie!

Sie hat eine besondere Stellung, als kleine Schwester nach ihrem schwerst kranken Bruder.

Ich versuche Normalität zu schaffen wo immer es geht.

Normalität. Unsere Normalität.

Sie wächst selbstverständlich neben Infusionspumpen und kathetern auf. Sie kennt epileptische Anfälle ihres Bruder und meine Anspannung, wenn es ihm nicht gut geht. Der Kinder Rolli vor der Tür ist so selbstverständlich wie die Fahrräder der großen Schwestern. Und laufen lernt sie am Therapiestuhl. Sie lernt es, am Tisch am Familienessen sitzen zu bleiben, während ihr großer Bruder jeder Zeit zurück ins Bett getragen wird.

Im puncto essen hat sie ihn lange überholt. Sie entwickelt sich, er kämpft so sehr.

Selbstverständlich gehört für sie der pflegedienst zum Alltag und in der Kinderklinik kennt sie jeder beim Name, obwohl sie selbst nie krank war.

Sie ist seine Schwester.

Sie trinkt lieber aus spritzen als aus Flaschen und spielt gerne mit all den Kabeln und Schläuchen die an ihrem Bruder hängen.

Sie liebt es, Pause bei ihm zu machen. In seinem Bett ist sie immer willkommen. Wenn er müde und kraftlos eingekuschelt Im Bett liegt mischt sie ihn ganz schön auf. Sie bringt Schwung in sein Bett, wie es kein Erwachsener schafft.

Sie liebt ihn so sehr. Er liebt sie, seine kleine Schwester. Und ich liebe sie alle vier. Ich liebe meinen Alltag.

Ja, sie lernt auch früh zu warten. Sich zurück zu nehmen. Rücksicht. Vorsicht. Auch das ist unsere Normalität.

Normalität. Ihre Normalität.

Sie ist so anders als die der Welt. So wertvoll. So anstrengend. So unfassbar schön. So zerbrechlich. So besonders.

Eine Normalität, die sie prägen wird. Und ich hoffe auf eine gute Weise!

Heute bereite ich ihren Geburtstag vor. Volle Liebe staune ich über das letzte Jahr.


Die Vorsorgeuntersuchung

 Heute war ich mit dem Baby zur Vorsorge Untersuchung U6.

Bald ist sie schon kein Baby mehr.

Und sie ist topfit.

Sie krabbelt. Sitzt sicher. Sie steht und läuft an Möbeln entlang. Sie isst fast alles. Schläft gut. Klatscht und winkt. Sie lacht und ist ein sehr ausgeglichenes Kind.

Mit Größe und Gewicht ist sie genau in der Kurve.

Fazit : Alles tiptop. Ein superfites Mädchen.

Daran hatte ich keinen Zweifel.

Worauf ich nicht vorbereitet war : der sieben Jahre alte Schmerz, der heute wieder aus mir heraus gebrochen ist.

Seine U6 war eine Katastrophe.

Kein sitzen. Keine Mobilität. Kein Sprach Verständnis. Keine Interaktion. Kein Essen.

Fazit : keine altersgerechte Entwicklung.

Die Ärztin schaute mich besorgt an: Frau L. Ich befürchte wir haben hier ein größeres Problem, als bisher angenommen. Sie sollten ihn dringend im spz vorstellen. Ein Schädel mrt sollte gemacht werden.

Entwicklungsverzögert in allen Bereichen.

Diese U6 war vor 7 Jahren ein erster zaghafter Schritt in die Welt "krankes Kind" oder "behindertes kind".

Ich ahnte die Ausmaße unserer Katastrophe damals noch nicht.

Dennoch spüre ich noch heute den Schmerz, den ich in diesem Moment bei dieser Kinderärztin fühlte.

Ein Schmerz, der mein Herz in Millionen Stücke riss.

Der Schmerz, der meine heile Welt aus den angeln hob.

Der Abschiedschmerz aus dem normalen Leben. Das war hier beendet. Ein neues Kapitel ging los.

Jetzt folgte eine Untersuchung nach der nächsten. Ein suchen nach der Ursache.

Jahrelang.

Heute mündet dieser Weg in unsere aktuelle Katastrophe.

Palliativ. Keine Heilung. Rasanter Abbau.

Heute konnte ich den Schmerz noch einmal nachempfinden. Und gleichzeitig diese unfassbare Dankbarkeit über die völlig gesunde Entwicklung des Babys.

Schmerz und Dankbarkeit. Abbau und unaufhaltbare Entwicklung. Beides ist immer nebeneinander.

diese Gleichzeitigkeit ist unser tägliche Realität im Alltag mit unserem besonderen Kind. 

Hässliche Wahrheit

Mein lieber Piepmatz.

Es geht dir nicht gut. Du bist so schlapp. So müde. So blass. Es bleibt so wenig Energie ZUM.LEBEN

Sitzen ist anstrengend. Und spielen auch. Lachen strengt Dich so an. Sprechen wird oft zu viel.

Die Kälte ist zu kalt.

Die Sonne zu hell.

Die Kettensäge draußen im Garten zu laut.

Was ist los mit Deinem Körper?

Die #Hoffnung in mir sagt : es ist ein Infekt. Es geht bald Berg auf.

Die Palliativ Ärztin, die an seinem Bett steht, sagt mit traurigem Blick : Es ist der Verlauf dieser Krankheit. Alles passt am ehesten zu einem rasanten Verlauf. Zu einem raschen Abbau.

Vor einigen Wochen hat sie ihn noch fröhlich spielend gesehen. Heute sieht er so anders aus.

Sie.macht.sich.sorgen.

ICH mache mir sorgen. Ich habe Angst vor dem was da auf uns zukommt.

Das #Palliativteam hat noch konkrete Ideen, wie wir noch mehr #Lebensqualität erreichen können. Dann gehen sie. Zum nächsten Kind.

Ich bleibe zurück. Mit diesen Worten, die ich tief in mir wusste. Die von der #Hoffnung überlagert waren. Jetzt ist sie erstickt.

Und ich mache weiter.

Weiter im Haushalt. Mühe mich weiter ab, seine Pflege professionell zu sichern. Übernehme viel davon selbst. Ich Diskutiere weiter mit der Krankenkasse.

Weiter.

Verschwenden damit seine #Lebenszeit.

Stop.

Ich setze mich an sein Bett. Ich sage ihm, wie lieb ich ihn habe. Wie stolz ich auf ihn bin. Wir toll er ist. Und dass er niemals alleine ist.

Ich staune über seine wunderschönen Augen und sauge sein Lächeln auf wie ein trockener schwamm.

Ich liebe seine viel zu großen neue Schneidezähne, süße Hasenzähne.

Ich küsse ihn und lese ihm ein Buch vor.

Ich bete für ihn. Ich singe. Ich bin da.

Und hier ist so viel Liebe.

Mein lieber Piepmatz, Diese Wahrheit ist hart und hässlich. Aber ich höre nicht auf, mein Bestes zu geben.

Wir füllen diese Wahrheit mit Liebe. Mit Leben. Mit so viel gutem wie irgendwie möglich ist.

Wir umhüllen sie mit Lachen und mit nicht aufgeben. Wir feiern, was uns bleibt - und nur so wie du feiern kannst.

Wir bleiben kreativ, suchen immer neue Wege und Möglichkeiten um dich glücklich zu sehen.

Versprochen.

Herbst

Heute regnet es nur einmal. Der Hund muss trotzdem raus.

Während du, mein lieber Piepmatz, seit einigen Tagen Dein Bett kaum verlässt, laufe ich mit dem Hund durch den Regen.

Es tut mir so gut. Ich laufe eine große Runde über die Felder, ich spüre den Regen in meinem Gesicht und ich freue mich an der bunten Herbst Natur.

Ich liebe den Herbst. Und er macht mir Angst. Beides nebeneinander gleichermaßen.

Dir geht es im Herbst oft nicht gut. Es ist zu kalt. Allein die Körpertemperatur zu halten kostet deinen kleinen Körper so viel Kraft. Jeder kleine Infekt kann schnell zur Katastrophe werden. Die kalte Jahreszeit verbringt du immer drinnen. Dieses Jahr hauptsächlich im Bett.

Ob Du weißt, wie der Herbst riecht? Wie er aussieht und wie er sich anfühlt? Mit welchen Gefühlen verbindest du diese Jahreszeit?

Ich beschließe, dir den Herbst mitzubringen. Ich sammle Eicheln, Nüsse, Kastanien, bunte Blätter den größten und den kleinsten Apfel den ich finden kann. Ich Fülle meine Jackentasche mit Kastanien und Bucheckern.

Du kannst nicht in den Herbst. Also bringe ich den Herbst zu Dir.

Als ich zurück komme schläfst Du tief und fest. Wir bekommen Dich heute nicht richtig wach. Ich lege alle Herbst Schätze in ein kleines Körbchen an Dein Bett. Wenn Du kannst, schaue ich alles mit Dir an. Fühle und rieche.

Warum schläfst Du gerade so viel? Wir wissen es nicht genau.

Du bist so müde! Des Lebens müde? Wird dir das Leben zu anstrengend?

Wieviele Herbste verbringen wir noch gemeinsam?

So viele Fragen in mir. Keine Antworten.

So sitze ich hier bei Dir, mein süßer Piepmatz. Ich streichle über Deine Haare, Dein Gesicht und deine Hände. Ich liebe Dich so so sehr. Ich bin da. Du bist niemals alleine. Und ich gebe mein bestes für dich. Immer und immer. Und wenn du nicht mehr in die Welt kannst, bringe ich die Welt zu DIR!


Fanta

Er liebt Fanta.

Fanta ist das letzte, das ihm geblieben ist, das er mit dem Mund essen kann. Er Löffelt sie in winzig kleinen schlückchen. Er mag den Geschmack. Er muss nicht davon spucken.

Sein Verdauungstrakt würde diese Fanta Schlückchen nicht weiter transportieren, nichts davon aufnehmen oder ausscheiden. Sobald die Fanta im Magen ist, läuft sie durch einen chirurgisch angelegten Ausgang heraus in einen Ablaufbeutel.

Die Fanta schafft ihm Lebensqualität. Sie macht ihn oft glücklich.

Am Anfang des Sommers musste er bitterlich weinen über die Erkenntnis, dass alle in den Urlaub fahren, nur wir mussten unsere Tage am Meer stornieren, weil er zu krank und nicht mehr transport fähig ist.

Es entstand die Idee, Familie und Freunde zu bitten, ihm eine Fanta vom Urlaubs Ort mitzubringen. So, dass er in all den Urlauben doch irgendwie dabei ist.

Am Ende des Sommers sind wir völlig überwältigt. Fast täglich kamen Fanta Pakete an.

Aus allen Ecken der Welt. Finnland, Schweden, Estland, Ungarn, Holland, Griechenland, Österreich, Italien, Frankreich, Montenegro, USA. Vom Bodensee, aus Hamburg, aus dem Allgäu, Berlin und viele weitere Orte.

72 Pakete!

72 herzliche Postkarten Grüße, die alle an seinem Bett hängen.

72 Menschen und Familien, die in ihrem Urlaub an unseren Sohn gedacht haben.

72 mal das Signal : ihr seid nicht ganz alleine.

72 mal spüren wir : er ist uns wichtig.

72 mal strahlen in seinem Gesicht.

72 jubel schreie "jaaaaa Fanta"

Es geht weit über die Familie und enge Freunde raus. Viele kennen wir nicht mal. Wahnsinn was diese Fanta Aktion für Kreise gezogen hat.

Es lässt mich dankbar und gerührt zurück.

72 mal von tiefstem Herzen: Danke!

Und vielleicht gehen diese Fanta Grüße auch über den Sommer raus weiter. Ich bin gespannt.


Schon wieder Pflegenotstand

Immer wieder schreibe ich darüber. Es gibt viel zu wenige Pflegekräfte.

Das trifft uns hart.

Die aufwendige intensiv medizinische Pflege unseres sohnes ist nicht immer gesichert. Eine neue Pflegekraft wird eingearbeitet. Sie soll Lücken im Dienstplan schließen. Super. Wir freuen uns.

Als sie zum ersten Dienst kommt wirkt sie überfordert. Schon das katheterisieren, die Versorgung des PEG Eintritts und die gabe der Medikamente über die Sonde geht ihr nicht routiniert von der Hand.

Sauberes arbeiten an den Infusionen sollte selbstverständlich sein. Ich erkläre es ihr mehrfach. Für sie anscheinend Neuland.

Sie erzählt mir, dass sie keine Ahnung hat was ein Hickman-Katheter ist. Sie schaut sich die Medikamente an, die sie verabreichen soll. Die Meisten kennt sie nicht.

Sie kennt nicht die Erkrankung meines Sohnes, hat sich offensichtlich auch vorher nicht damit beschäftigt.

Die Einarbeitung lief letzte Woche. Heute kommt sie zur Nachtschicht und ich fange nochmal bei Null an. Ich habe kein gutes Gefühl.

Um 1 Uhr sind meine Nerven und Kräfte am Ende. Ich gehe ins Bett. Schlafe sehr schlecht. Ich habe Angst um meinen Sohn. Ich bete, dass ihm heute Nacht nichts passiert. immer wieder das selbe Gebet. Völlig übermüdet löse ich sie morgens aus. Bin weiterhin schockiert über die Fragen die sie mir jetzt stellt.

Im Notfall wäre es zu spät gewesen.

Sie hat nicht alle angeordneten. Pflegerischen Maßnahmen ausgeführt, sie hat sich nicht an Zeiten gehalten.

Mir fehlen die Worte. Ich danke Gott, dass er heute Nacht auf meinen Sohn aufgepasst hat. Ihm geht es gut.

Wir entscheiden uns, dass diese Fachkraft nicht weiter unseren Sohn versorgen kann. Und wir tragen die Konsequenzen - Wir übernehmen wieder Nachtschichten.

Fachkräftemangel. Doch muss ich alles hinnehmen? Sogar dankbar dafür sein? Das ist keine qualifizierte Versorgung. Es hätte schief gehen können.

Unser Land hat ein Problem. Es muss etwas passieren. Bevor etwas passiert! Fachkräftemangel ist gefährlich.

Fachkräftemangel ist Lebensgefährlich!


Im Notfall

Absprachen zum Vorgehen in NOTFALLSITUATIONEN bei Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen.

Heute morgen haben wir diese Absprachen getroffen. Zusammen mit einer palliativ Ärztin und einer palliativ care Pflegekraft haben wir überlegt und schriftlich festgelegt, was wir in welcher Notfall Situation möchten und was nicht.

Dabei sprechen wir über meinen geliebten 7 jährigen Sohn.

Beamten, Wenn er im krampfanfall nicht mehr atmet?

Notarzt rufen oder nicht?

Reanimieren?

Kreislauf aufrecht erhalten?

Wieweit gehen wir, um sein Überleben zu sichern? Was ist der Preis der möglichen Interventionen? Wo ist der Punkt, ihn in Würde sterben zu lassen?

Wir sitzen an meinem Esstisch. Trinken Kaffee. Junior liegt ein paar Zimmer weiter in seinem Bett. Auf meinem schoß turnt das fröhlich prabbelnde Baby.

Ganz harmonisch. Fast gemütlich.

Ist das was wir hier tun nicht völlig absurd?

Das ist unsere Realität.

Wir bereiten uns auf das Sterben unseres Kindes vor. Wir wollen es so gut wie irgendwie möglich machen.

Alles tun. Und doch nicht zu viel. Ihn ganz fest halten. Und rechtzeitig Loslassen.

Während andere Mamas sich darum sorgen, ob ihr Kind im Fußball Verein gut genug ist oder das Rechnen bis 20 gut sitzt überlege ich mir, wie mein Kind sterben soll.

Absurd.

Und doch real. Unser Alltag. Es schmerzt. Und es befreit. Wir haben einen Plan und ein gutes Netzwerk. Wir sind nicht alleine.

Und doch oft einsamer denn je.

Unsere Realität ist zu hart für viele.


Pflegenotstand

Das Telefon klingelt.

Die Pflegekasse ist dran. Eine nette Dame erklärt mir, dass ein Gutachten des MDK vorliegt, welches eine 24 Stunden Intensiv Pflege Für meinen Sohn empfiehlt und durch die Kasse entsprechend genehmigt wurde.

ABER: dieser Umfang wurde die letzten 6 Monate nicht ansatzweise vom Pflegedienst abgerechnet. Rückschluss der Kasse : wir brauchen die vielen Stunden intensiv Pflege gar nicht. Es scheint auch so zu funktionieren. DIE STUNDEN WERDEN AB SOFORT REDUZIERT. Von 24 Stunden bleiben 10. ZEHN!

Das sind gerade mal die Nächte. Ich bin schockiert. Sage der Dame am Telefon, dass wir mehr Stunden BRAUCHEN um seine Pflege zu sichern. Aber nicht bekommen.

#Pflegekräftemangel.

Regelmäßig bettel ich den Pflegedienst um mehr Stunden Hilfe an. Ich bekomme sie nicht. Krankheitsbedingte Ausfälle. Urlaubs Zeit. Fachkräfte Mangel. Irgendetwas ist immer. Und ich sitze mit meinem schwerst pflegebedürftigen Sohn alleine zu Hause.

Wie jetzt gerade.

Der Monitor schrillt. Die Pumpe piepst. Junior würgt. Das Baby schreit.

Ich muss mich konzentrieren, kein Keim darf an seinen Katheter gelangen. Mein Rücken Schmerzt. Der Kopf droht zu platzen. Ich beiße die Zähne fest zusammen, meine Kiefer Gelenke zittern. Ich trage das Baby. Versorge ihn weiter.

Nonstop. Immer mit der Angst vor dem nächsten medizinischen Notfall. Und die haben wir regelmäßig.

Ich brauche Hilfe um seine aufwendige Pflege und gleichzeitig sein Überleben zu sichern. Das hat sogar der gutachter des MDK erkannt und schriftlich festgehalten. Und diese Dame am Telefon spricht von WENIGER Würde reichen!!?!! Nein, nicht weniger! Wir brauchen MEHR. Wir brauchen was uns zusteht und bekommen es seit Monaten nicht.

Ob die Dame am Telefon mir helfen kann, mehr pflegekräfte zu finden, einen pflegedienst der unseren Bedarf abdecken kann?

Das ist nicht Ihr Aufgabenbereich sagt sie. Und lässt mich sehr alleine und zu tiefst verzweifelt zurück


Palliativ

Und da steht es. Worte, die ich lange weiß. Worte, die ich selbst ausspreche. Worte, aus denen wir nie ein Geheimnis machten.

Jetzt stehen sie hier schwarz auf weiß. Im aktuellen Arzt Brief. Mir stockt der Atem beim Lesen.

"Aktuell gibt es nur einen palliativen Therapieansatz."

Bähm.

Das sitzt erst einmal.

Automatisch überprüfe ich, ob die Daten wirklich stimmen. Ob diese Worte wirklich über meinen lieben Sohn geschrieben wurden.

Ja. Zweifelsohne.

Dieser Brief beschreibt die Situation meines Kindes. Ich weiß das. Wir planen den Rahmen seines Sterbens. Besprechen wünsche und Vorstellungen. Wir geben vor, welche Maßnahmen im Notfall ergriffen werden sollen und welche nicht.

Wir bringen ihn auf keine Klinik Station mehr. Der Weg steht fest.

Dennoch macht dieser Brief, der so unverhofft heute im Briefkasten lag etwas mit mir. Es schmerzt. Es lähmt, nimmt mir einen Moment die Kraft zum weiter machen.

Er baut im Moment rapide ab.

Er.wird.sterben.

Heute wieder aufs Neue eine harte Erkenntnis. Ob ich mich jemals an diese Tatsachen so gewöhnen werde, dass ich solche Worte rein informativ lesen kann? Ich glaube nicht. Und ich möchte das auch nicht.

Ich darf und ich möchte eine tiefe Traurigkeit spüren, wenn ich diese Worte lese. Und ich darf und möchte mich von dieser Tatsache "nur noch palliativ" jeden Tag neu motivieren lassen, seinen Tagen mehr Leben zu geben.

Denn es steht fest, dass ich seinem Leben nicht mehr Tage geben kann. So fülle ich seine Tage mit #Liebe und #Leben. Mit #Freude, #Lachen, #singen und #tanzen.

Ja, ich gebe es zu: ich tanze mit ihm und seinen Schwestern auf Lieder von Helene Fischer durchs Zimmer, wann immer es uns nach tanzen ist :) Wir lassen keinen Tag, keinen Moment sinnlos verstreichen.

Das bin ich ihm schuldig.